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Strategie

Fünf Fragen und Antworten zu den Präsidentschaftswahlen in den USA

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Fünf Fragen und Antworten zu den Präsidentschaftswahlen in den USA

Am 5. November ist es so weit. Das wichtigste politische Ereignis des Jahres steht an: die Wahl des US-Präsidenten. Was Finanzberater jetzt wissen müssen. 

Womit rechnen die Finanzmärkte?

Nur noch wenige Tage bleiben bis zur US-Präsidentenwahl am 5. November. „Seit rund drei Wochen preisen die Finanzmärkte mit Trumps Aufholjagd in Umfragen gegenüber Harris zunehmend das Szenario ‚Trump 2.0‘-Präsidentschaft ein“, sagt Robert Greil, Chefstratege bei Merck Finck. Er verweist auf den sogenannten ‚Trump-Trade‘. Darunter versteht man die Erwartung, dass im Falle einer zweiten Präsidentschaft des 78-jährigen die Wall Street besser läuft, der US-Dollar stärker wird, der Goldpreis angesichts mehr drohender Unsicherheit steigt und die Zinsen für US-Staatsanleihen klettern – letzteres vor allem angesichts vermutlich deutlich höherer Staatsdefizite und damit -verschuldung. „Auch wenn das Rennen offenbleibt: Angesichts seines jetzt minimalen Vorsprungs in den meisten Swing State-Umfragen und teils deutlichem Vorsprung an den Wettmärkten ist Trump jetzt für viele leichter Favorit.“  

„Mit entscheidend wird für die Märkte aber sein, ob die Republikaner im Falle einer erneuten Präsidentschaft auch in beiden Kammern des Kongresses die Mehrheit holen – denn nur in einem solchen ‚Red Sweep‘-Szenario könnte Trump jenseits seiner Zolldrohungen wohl auch den Großteil seiner Fiskalpläne wie etwa einer weiteren Senkung der Körperschaftssteuer in die Tat umsetzen.“ Greils Fazit: „Anleger sollten sich – über den Wahltag hinaus – mindestens bis Dezember auf spürbar mehr Volatilität einstellen, und Ihr Portfolio entsprechend wetterfest machen.“

Was würde ein Wahlsieg von Donald Trump bedeuten?

„Die Politik Trumps wird als inflationär eingeschätzt und ist grundsätzlich von Nachteil für europäische Exporteure“, sagt Alexis Bienvenu, Fondsmanager beim französischen Fondshaus LFDE. Das habe mehrere Gründe: Zölle auf die Einfuhr von Produkten, die nicht nur aus China, sondern aus der ganzen Welt kommen. Eine extrem expansionistische und nicht tragfähige Haushaltspolitik, die somit weltweit für finanzielle Instabilität sorgt. Eine deutlich strengere Migrationspolitik, die dazu führen könnte, dass Millionen von eingewanderten Arbeitskräften ausgewiesen werden können. „Ihre Ausweisung oder allein schon der Rückgang der Zuwanderung würde zwar unmittelbar die Stundenlöhne der am geringsten qualifizierten Arbeitskräfte stützen, da sie in geringerer Zahl zur Verfügung stünden. Das ist für die verbleibende Erwerbsbevölkerung positiv“, erklärt der Fondsmanager. 

Doch genau dieser Effekt könnte anschließend dazu beitragen, dass die Gesamtinflation und damit auch die Zinsen auf einem hohen Niveau verharren. Diese Auswirkung der Migrationspolitik auf die Wirtschaft veranschaulicht indirekt die Vorteile der massiven Immigration, die seit 2021 in den USA stattgefunden hat. Denn laut dem Congressional Budget Office, einer parteiübergreifenden Institution, hat die Einwanderungswelle einen erheblichen Beitrag zum Wachstum der US-Wirtschaft geleistet und gleichzeitig einen mäßigenden Einfluss auf die Lohninflation und damit auf die Gesamtinflation ausgeübt. Sie abrupt infrage zu stellen, könnte das Wachstum der größten Volkswirtschaft der Welt verlangsamen und einen Inflationsrückgang auf das gewünschte Niveau verzögern.

Donald Trump verfolge ein weiteres zentrales Ziel. Er will das Außenhandelsdefizit reduzieren. Sein Mittel der Wahl: Zölle auf alle Importe. „Er spricht von zehn Prozent auf alle Importe unabhängig vom Herkunftsland, auch für Europa und Japan“, sagt Ronald Temple, Chef-Marktstratege bei Lazard. „Es soll Freunde wie Gegner treffen.“ Doch das sei noch nicht alles: „Trump hat außerdem von einem Zoll in Höhe von 60 Prozent auf chinesische Waren gesprochen. Würde er diese Ankündigung durchsetzen, läge der durchschnittliche Zoll auf Importe in die USA bei rund 20 Prozent.“

Dies sei nicht nur im historischen Vergleich enorm, es habe zudem Auswirkungen auf die Preise. „Auch wenn Donald Trump anderes verspricht: Die Zölle werden nicht von den ausländischen Unternehmen bezahlt, sondern von den Bürgern und Unternehmen in den USA“, ist Ron Temple überzeugt. Seine Schätzung: „Im Jahr der Einführung dieser Zölle könnten die Verbraucherpreise um 200 bis 300 Basispunkte steigen.“ Gleichzeitig sinke das Bruttosozialprodukt, denn Importeure von Produkten, die nicht im täglichen Leben von Konsumenten benötigt werden, würden den Zoll nicht weitergeben können, ohne dass ihre Verkaufszahlen einbrächen. Also werden sie diesen Zoll wahrscheinlich nicht komplett weitergeben, was ihnen aber wiederum auf die Gewinnmargen schlagen dürfte. „Neben den Konsumartikelimporteuren sind es zum Beispiel Technologiefirmen, die Hardware importieren, die unter den Zöllen leiden würden“, so der Experte.

Was würde die Wahl von Kamala Harris für die Wirtschaft bedeuten?

Gewinnt die Demokratin Kamala Harris die Präsidentschaftswahl, muss sie jedoch mit einem republikanischen Senat regieren. „Das würde bedeuten, dass sie bestimmte Gesetzesvorhaben nicht durchsetzen kann, etwa die Erhöhung der Unternehmenssteuer von 21 auf 28 Prozent“, so Temple.  Noch gravierender seien die Unterschiede bei der Handelspolitik. „Unter Kamala Harris wird sich die Handelspolitik voraussichtlich wenig verändern. Harris wie Trump werden eine Anti-China-Politik verfolgen, aber mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Harris fokussiert sich mehr auf Technologie und Biotechnologie, denn sie orientiert sich eher am Thema nationale Sicherheit.“ Bei einer Wahl von Kamala Harris mit einer geteilten Regierung würde sich der Status quo fortsetzen. „Ich denke, das wäre eine gute Ausgangsbasis für die Aktienmärkte. Und ich sollte anmerken, dass in den letzten 20 bis 30 Jahren die Aktienmärkte geteilte Regierungen in den USA mochten, weil es in diesen Zeiten keine radikalen politischen Veränderungen gab“, erläutert Temple. Entscheidend bleibe die Einzeltitelauswahl, ob man nun versuche, die Gewinner der Handelspolitik unter Trump oder Harris auszuwählen bzw. die Verlierer zu vermeiden.

Wie haben die Börsen in der Vergangenheit auf die US-Präsidentschaftswahl reagiert?

US-Präsidentschaftswahlen sind nicht nur ein wichtiges politisches Ereignis, sondern wirken sich auch in hohem Maße auf den Aktienmarkt aus. „Historisch gesehen haben sich die verschiedenen Phasen des vierjährigen Zyklus bei US-Präsidentschaftswahlen – Nachwahljahr, Zwischenwahljahr, Vorwahljahr und Wahljahr – unterschiedlich auf die Marktentwicklung ausgewirkt“, sagt Salah-Eddine Bouhmidi, Head of Markets beim Onlinebroker IG Europe. Während die Renditen in den Vorwahl- und Wahljahren üblicherweise am höchsten waren, herrscht in Nachwahl- und Zwischenwahljahren oft mehr Unsicherheit und Volatilität. Diese zyklischen Muster sowie die konkreten Reaktionen der Märkte auf Wahltage und Machtwechsel im Weißen Haus liefern Anlegern und Tradern wertvolle Erkenntnisse.
 
 Der US-Präsidentschaftswahlzyklus lässt sich in vier Phasen gliedern: Nachwahljahr, Zwischenwahljahr, Vorwahljahr und Wahljahr. In den letzten beiden Jahren des Zyklus sind die US-Aktienmärkte am erfolgreichsten. In 48 Präsidentschaftszeiten seit 1833 war in Vorwahl- und Wahljahren im Vergleich zu Nachwahl- und Zwischenwahljahren eine deutlich bessere Markentwicklung zu verzeichnen. Präsidentschaftswahlen in den USA haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte. „Kriege, Rezessionen und Bärenmärkte beginnen meist in der ersten Hälfte der Legislaturperiode (wie im Fall des russischen Überfalls auf die Ukraine und des Bärenmarkts im Jahr 2022, während eine florierende Wirtschaft und Bullenmärkte eher für die zweite Hälfte des Zyklus – die Vorwahl- und Wahljahre – typisch sind“, erklärt Bouhmidi.
 
Unabhängig davon, ob die Demokraten oder aber die Republikaner gewonnen haben oder ob sich der amtierende Präsident oder der Herausforderer durchgesetzt hat, lässt sich bei den Marktreaktionen ein eindeutiges Muster erkennen. Am Wahltag selbst meldete der S&P 500 eine durchschnittliche positive Rendite von 0,92 Prozente bei einer Trefferquote von 77 Prozent. Das heißt, dass der Index an 77 Prozent der beobachteten Wahltage im positiven Bereich schloss – ein Indiz für allgemeinen Marktoptimismus und positive Anlegererwartungen am Wahltag.
 
Am Tag nach der Wahl hingegen verzeichnete der erweiterte S&P 500 eine durchschnittliche negative Rendite von -0,71 Prozent bei einer Trefferquote von 65 Prozent. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass sich die anfängliche Euphorie am Wahltag häufig relativiert oder sich Ernüchterung breitmacht. Bis 1980 blieben die US-Finanzmärkte am Wahltag traditionell geschlossen, damit Wähler und Marktakteure an der Wahl teilnehmen konnten. Seitdem sind die Märkte am Wahltag jedoch stets geöffnet. Diese Trends verdeutlichen, dass in Wahljahren zwar langfristig positive Renditen erzielt werden, aber auch kurzfristige Volatilität auftreten kann. Anleger und Trader sollten dies bedenken.

„Nach den Präsidentschaftswahlen sind die Kurse nach den letzten Abstimmungen in den ersten zwei Jahren immer gestiegen – bei Donald Trump waren es seinerzeit 38 Prozent! In jedem Fall wird die Wirtschaft, egal wer das Weiße Haus gewinnt, durch die weitere Ausgabenpolitik des Staates gestützt werden. Bei Trump kommen als kurzfristig negativer Effekt die Themen Zölle und Reduktion der Immigration und damit der Verlust an Arbeitskräften dazu, bei Harris negativ das Thema Unternehmenssteuern“, sagt Reinhard Pfingsten, Chief Investment Officer der apoBank.
 
 Lohnt sich eine politische Ausrichtung des Portfolios?
 
„Anlegerinnen und Anleger könnten der Versuchung erliegen, ihre Portfolios im Wahljahr politisch auszurichten und zu optimieren. Doch die Historie lehrt uns, dass diese Strategie mittelfristig selten den gewünschten Ertrag brachte, selbst wenn eine Partei im Laufe der Zeit stringent ihre wirtschaftlichen Ziele verfolgt und implementiert hat“, erklärt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management. Ein Blick zurück zeigt, dass an den Aktienmärkten sogar ein gegenteiliger Effekt eintreten kann – und Branchen profitieren, für die der jeweilige Präsident gar nicht „steht“.

Die Biden-Regierung setzte sich beispielsweise massiv dafür ein, fossile Brennstoffe zu reduzieren und erneuerbare Energien zu fördern. Die Regierung verabschiedete mit dem „Inflation Reduction Act“ in Höhe von 369 Milliarden US-Dollar die bisher umfangreichsten staatlichen Maßnahmen zum Klimaschutz. „Vor diesem Hintergrund hätte man erwartet, dass traditionelle Energieaktien abgestraft und erneuerbare Energien in die Höhe schnellen würden. Tatsächlich ist genau das Gegenteil eingetreten“, erklärt Tilmann Galler. Seit Inkrafttreten des Gesetzes im August 2022 hat der Index für erneuerbare Energien ein Drittel seines Wertes verloren, während traditionelle US-Energieaktien 14 Prozent an Wert gewonnen haben.

Fünf Jahre zuvor war die Ausgangslage genau umgekehrt. Präsident Trump setzte sich während seiner Präsidentschaft energisch für die Unterstützung der traditionellen Energiewirtschaft und die Genehmigung von Bohrpachtverträgen ein. Doch der S&P 500 Energy Index fiel während seiner Präsidentschaft um 40 Prozent, während der S&P 500 Global Clean Energie Index von seinem Amtsantritt bis zum Wahltag 2020 um 280 Prozent zulegte.

Aus Sicht von Ökonom Galler hing der Anstieg der Aktien für „saubere Energie“ während der Trump-Administration wahrscheinlich mit den Innovationen im Bereich erneuerbare Energien, den sehr niedrigen Zinssätzen zur Finanzierung dieser Innovationen und dem globalen Boom von ESG-Investments zusammen. Darüber hinaus verursachte die Pandemie einen Crash beim Ölpreis, der im April 2020 bis auf 11 US-Dollar fiel, was die Gewinne im traditionellen Energiesektor während der Präsidentschaft Trumps limitierte.


 


Dirk
Autor: Dirk Wohleb

Freier Wirtschafts- und Finanzjournalist