Digitalisierung
Kundennähe in Zeiten der Digitalisierung
Finanzberatung Digitalisierung Kundenkommunikation Finanzdienstleister Bank Filiale
Digital ist normal. Die Kundenkommunikation der Finanzdienstleister hat sich verändert.
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In den späten Neunzigern und kurz nach der Jahrtausendwende war Multikanalbanking das Zauberwort für die Zukunftsstrategie im Privatkundengeschäft nahezu aller Universalbanken. Ein wichtiger Treiber dahinter waren die hohen Kosten des Vertriebs in der Fläche. Die Einführung digitaler Kanäle war also maßgeblich getrieben von der Suche nach einer Möglichkeit, die Anzahl der Filialen zu reduzieren und damit gleichzeitig die Personal- und Standortkosten.
Die damals von den Banken propagierten Alternativen waren für die meisten Kunden in der Anwendung eher mühsam und umständlich: Langsames Internet und wenig benutzerfreundliche Oberflächen machten insbesondere Online-Banking zu einer Angelegenheit für ausgesprochene Technologiefans. Vor allem ältere Privatkunden fühlten sich abgehängt und taten sich mit den elektronischen Zugängen schwer. Aus dieser Zeit stammt übrigens auch das längst überholte Vorurteil, dass ältere Menschen das Internet nicht nutzen.
Seitdem hat sich viel verändert: Die Oberflächen sind benutzerfreundlicher geworden und das Internet schneller. Das Smartphone hat den Computer für viele Alltagsanwendungen abgelöst. Und die Generation 60plus ist online – und wie: die Wochenendreise wird auf dem iPad gebucht und das Telefonat mit den Enkeln hat dem VideoCall über WhatsApp Platz gemacht. Online ist überall. Nicht ohne Neid blicken die arrivierten Banken mittlerweile auf ihre agilen digitalen Wettbewerber. Die haben, quasi als Quereinsteiger, den Entwicklungsschritt der physischen Niederlassungen vor Ort übersprungen und müssen sich daher auch keine Gedanken machen, was sie in einer digitalen Welt nun mit ihren Filialen anstellen – sie haben einfach keine.
Dr. Jörg Koschate, Vertriebsvorstand LBS West: „Kunden treffen diese Unterscheidung nicht. Für sie ist Digitalisierung nicht losgelöst, sondern ein immer selbstverständlicherer Teil unseres Lebens.“ Digitalisierung diene daher dazu, Lösungsansätze zu unterstützen und sie einfacher, schneller und effizienter zu machen, so Koschate weiter. So empfänden es die Kundinnen und Kunden und so sollten es die Anbieter ebenfalls sehen.
Die Fianzdienstleister haben jedoch durch die Bank festgestellt, dass es sich lohnt, genauer hinzusehen, was sinnvollerweise wo und wie angeboten werden kann. Gerade in Bezug auf die Filialen wurde und wird daher in allen Häusern untersucht, welche Art von Bankgeschäft dort bisher stattgefunden hat und wofür man sie künftig benötigt und nutzen will. In der Vergangenheit seien dies überwiegend Service und Beratung gewesen, erläutert Ansgar Oberreuter, Leiter Privatkundenvertrieb der HypoVereinsbank – UniCredit Deutschland: „Im Vergleich zu vor 20 Jahren hat hier eine gravierende Veränderung stattgefunden: Service funktioniert heute zum größten Teil auch ohne Filiale und findet mittlerweile fast ausschließlich über Online und Mobile Banking statt: schnell, bequem und von zuhause.“
Druck durch branchenfremde Konkurrenz
„Die Erwartungshaltung der Kunden ist eine andere geworden“, ergänzt Dr. Marcus Walden, Vorstandsvorsitzender der Rheinhessen-Sparkasse. Man dürfe nicht vergessen, dass man sich gerade im Bereich des Zahlungsverkehrs mit branchenfremden und sehr ernstzunehmenden Playern im Wettbewerb befinde, die sich nicht mit tradierten Unterscheidungen aus der Bankenwelt aufhielten – man denke nur an Amazon oder Meta, früher Facebook. „Zahlungsverkehr, Orders, das muss heute online und von überall funktionieren“, macht Walden deutlich.
Als größten Treiber dieser Entwicklung haben alle Befragten den Siegeszug der mobilen Endgeräte identifiziert, also des Tablets und vor allem des Smartphones. Und natürlich die Pandemie: Sie hat diesen Trend noch einmal so spürbar verstärkt, dass er letztendlich zur Normalität geworden ist.
Es gibt jedoch noch eine zweite Bedarfskategorie: nämlich die, bei der man ein menschliches Gesicht sehen möchte. Diese sehen die Vertreter der Häuser, mit denen wir gesprochen haben, vor allem im Finanzierungsbereich, wo man sich mit Entscheidungen teils lang bindet, aber auch bei der Anlageberatung. Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen, und sagen, dass dies generell für Beratung zutrifft.
Informationsflut schafft Orientierungsbedarf
Der Großteil der Kunden sucht heute zuerst im Internet nach Informationen und macht sich da bereits ein erstes Bild – das jedoch nicht zwingend passend sein muss. Vor einer Entscheidung, die längerfristige Konsequenzen haben könnte, besteht daher in aller Regel der Wunsch, sich rückzuversichern und die Meinung eines Experten hören. Trotz aller digitalen Möglichkeiten: Gerade wenn es um Fragestellungen von einer gewissen Tragweite geht, setzt man sich dafür gern mit den Fachleuten an einen Tisch. Jede einzelne Google-Suche spuckt bereits eine derartige Menge an Informationen aus, dass sie sich für Laien kaum mehr einsortieren lassen.
Ein Punkt, den auch Mathias Lüdtke-Handjery sieht, Managing Director der Finanzberatungsgesellschaft der Deutschen Bank, Postbank Finanzberatung AG und Deutsche Bank Immobilien GmbH: „In einer digitalisierten Welt, in der eine Flut von Informationen 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche verfügbar ist, ist die persönliche Beratung immer wichtig, weil sie Orientierung gibt.“ Tatsache sei jedoch auch, dass sich die Kanäle, über die Beratung stattfindet, verändert hätten und weiter verändern würden: „Vermutlich werden sie sich auch weiter verändern müssen, denn die Art wie wir kommunizieren und interagieren, entwickelt sich weiter.“ Damit müsse auch die Art und Weise, Beratung anzubieten, Schritt halten.
Präsenz im Entscheidungsprozess
Ein großer Unterschied zur „alten Welt“ der Nullerjahre liegt sicherlich darin, dass die Entscheidungsprozesse der Kunden vielschichtiger geworden sind. Die Meinungsbildung setzt heute deutlich früher an und findet auf ganz unterschiedlichen Ebenen statt. In diesem komplexer gewordenen Entscheidungsprozess gilt es für die Anbieter, präsent zu sein. Andernfalls droht die Gefahr, im Entscheidungsprozess übersehen zu werden und nicht zum Zuge zu kommen. Gerade für breiter aufgestellte Finanzdienstleister, die sich nicht nur in einer digitalen Nische bewegen, bedeutet dies, in der Breite ihres Angebots online und offline präsent sein zu müssen, um für die erforderliche Wahrnehmung sorgen zu können.
Dr. Jörg Koschate: „Die Kunden unterscheiden ja nicht, zwischen dem, was sie online gesehen haben und dem, was sie vor Ort sehen. Aus ihrer Sicht sind dies lediglich unterschiedliche Kontaktpunkte im gleichen Entscheidungsprozess.“ Die Herausforderung für die Anbieter bestünde darin, in den verschiedenen Facetten dieses Prozesses wahrgenommen zu werden, ergänzt Mathias Lüdtke-Handjery: „Sie brauchen also Präsenz. Prominente Sichtbarkeit ist wichtig – und zwar online und offline.“
Dr. Jörg Koschate: „Die Kunden unterscheiden ja nicht, zwischen dem, was sie online gesehen haben und dem, was sie vor Ort sehen. Aus ihrer Sicht sind dies lediglich unterschiedliche Kontaktpunkte im gleichen Entscheidungsprozess.“ Die Herausforderung für die Anbieter bestünde darin, in den verschiedenen Facetten dieses Prozesses wahrgenommen zu werden, ergänzt Mathias Lüdtke-Handjery: „Sie brauchen also Präsenz. Prominente Sichtbarkeit ist wichtig – und zwar online und offline.“
In der Praxis spielen dafür Suchmaschinen und Bewertungsportale wie WhoFinance mittlerweile eine enorm wichtige Rolle. Generell würde niemand mehr ernsthaft das „Ob“ digitaler Präsenz in Frage stellen, sondern es ginge allein um das „Wie“, meint Ansgar Oberreuter: „Wo wir als Banken vielleicht den größten Nachholbedarf gegenüber anderen Branchen hatten, das war die sogenannte Customer Experience.“ Da habe in den letzten Jahren dann auch die meiste Veränderung in Industrie stattgefunden. „Und hier sind es wiederum zwei Hauptbestandteile, um die es geht: Convenience und Relevanz.“
Medienwechsel ohne Medienbruch
Einigkeit besteht für die Befragten darüber, dass die Zeiten vorbei sind, in denen zwischen stationären und Online-Kampagnen unterschieden wurde und diese vielleicht sogar in unterschiedlichen Budgettöpfen veranlagt waren. Schon längst sehen die Häuser ihre Herausforderung vielmehr darin, diese beiden Welten möglichst ohne Brüche zusammenzuführen. Und hier setzten sie auch für die Umsetzung an und arbeiten mit sogenannten hybriden Modellen. Diese zielen darauf ab, die verschiedenen Kanäle möglichst nahtlos zu verbinden, also online und offline, aber auch „mobile“, also Telefon!
Nicht zu vergessen: Die Institute benötigen ja auch die Erträge aus den verschiedenen Kanälen: aus dem Online-Abschluss ebenso wie aus dem beratungsintensiven und meist margenstärkeren Geschäft. Finanzierung ist dabei durch die Bank nach wie vor ein wichtiger Baustein der Geschäftsmodelle – und dafür erwarten die Kunden eine persönliche Beratung. Die findet klassischerweise an einem physischen Standort statt. Aber nicht nur. Oft kommt auch der Berater zum Kunden oder die Beratung findet per Video statt. Worauf es ankomme, das sei der persönliche Austausch, so Dr. Jörg Koschate: „Gerade Bauen und Baufinanzierung sind für die meisten Menschen Entscheidungen, die sie in ihrem Leben nur einmal treffen – und dies mit zeitlich und finanziell weitreichenden Konsequenzen. Da ist es entscheidend, ein persönliches Gespräch führen zu können und eine gründliche Beratung zu bekommen.“
Wichtig sei, in für den Kunden relevanten Situationen auch für ihn da zu sein und den Kontakt zu halten, bestätigt Ansgar Oberreuter, denn gerade in Krisen sei Banking ja auch Vertrauen. Da müsse es den Kunden einfach gemacht werden, ihren Bedarf zu adressieren: „Heute können unsere Kunden in jeder unserer Filialen Ihr Anliegen loswerden und es wird ihnen geholfen. Wenn Kunden zu uns kommen und um Unterstützung bitten, dann verweisen wir nicht an die Heimatfiliale, sondern wir kümmern uns.“
Gefunden werden reicht nicht mehr
Nichts Geringeres erwarten Kunden übrigens, wenn es gelingen soll, die vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, auf deren Bedeutung alle Anbieter hinweisen. Hier hat sich eine Verlagerung beobachten lassen, in welche Phase der User Journey Aufmerksamkeit investiert wird: Noch vor wenigen Jahren lautete das Credo, dass man online gefunden werden musste. Heute weiß man, dass es damit nicht getan ist und die Frage lautet, wie das Kundenerlebnis aussieht, wenn man schon gefunden wurde. Dann gelte es, Vertrauen zu schaffen, erklärt Mathias Lüdtke-Handjery:„Das geschieht, indem man über sich spricht: Wer bin ich? Was mache ich? Welches Spezialgebiet habe ich? Und – ganz wichtig – wie haben mich meine Kunden bewertet? Die Kunden sollen einen Eindruck gekommen, auf wen sie sich da einlassen.“ Auf diese Weise entstehe eine Art Vertrauensvorschuss.
Hat man alles richtig gemacht, dann ist dieser Einstieg gelungen. Streng genommen bedeutet dies jedoch nur, dass man bis dahin die potenziellen Kundinnen und Kunden noch nicht verloren hat. Sollen sie aber gewonnen werden, wartet schon die nächste Aufgabe, nämlich den hoffentlich positiven Eindruck weiter zu unterstreichen und den erwähnten Vertrauensvorschuss zu bestätigen. Dies beginnt mit der professionellen Handhabung der Kanäle, auf denen man sich bewegt. Was naheliegend klingt, ist in der praktischen Umsetzung nicht ganz frei von Fallstricken. Nicht alle Beraterinnen und Berater bewegen sich mit der gleichen Souveränität auf online-Plattformen. Und dies gilt beileibe nicht nur für die Generation derer, die noch ohne soziale Medien aufgewachsen sind.
Digitale Kompetenz verändert sich
Für die Unternehmen ist dies eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, denn das hybride Beraten stellt an die Mitarbeiter im Vertrieb neue Anforderungen. Dies beginne bei der Beherrschung der Technik, gefolgt von Präsenz vor der Kamera, etc. Dafür würden die Mitarbeiter gezielt geschult berichtet Dr. Marcus Walden: „Jeder von uns war schon in Video-Calls, in denen dann jemand sein Mikrofon nicht ein- oder ausschalten konnte oder man im Gegenlicht nur eine Silhouette gesehen hat. Davon wollen wir uns bewusst abgrenzen.“
Für ihn umfasst die Aufgabe, digitale Kompetenzen in den Teams zu stärken, aber noch mehr: „Das Feld ist viel weiter: Wie sieht eigentlich mein eigener Social Media Auftritt aus? Wie steht es um mein Facebook-Profil? Das sind Fragen, die auch für unsere Mitarbeiter interessant und wichtig sind und damit am Ende auch für uns. Je vertrauter ich damit bin, desto natürlicher wird meine digitale Kommunikation.“
Zu Instruktion kommt allerdings auch Investition, denn Schulungen sind zwar essenziell wichtig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen aber auch auf die erforderliche Technik zugreifen können. Hier tun sich andere Branchen etwas leichter: „Bring your own device“ stößt bei den Sicherheitsanforderungen für Finanzdienstleistung rasch an Grenzen. Also muss das Unternehmen in die Tasche greifen. Geschah dies anfangs etwas zögerlich, sind diese Ausgaben mittlerweile als sinnvolle Investition in die eigene Außenwirkung erkannt worden.
Die Frage nach dem "next big thing"
Es hat sich also viel getan in den vergangenen Jahren und die Frage liegt auf der Hand, in welche Richtung die Entwicklung weiterläuft. Erwarten uns in den kommenden 10 Jahren ähnlich große Veränderungen wie im letzten Jahrzehnt? Hier unterscheiden sich die Meinungen der Befragten teils deutlich. So sieht Ansgar Oberreuter etwa die Veränderung weniger von einer einzelnen neuen Technologie kommen: „Die Herausforderung sehe ich woanders: Wir haben bereits jetzt einfach zu bedienende und verständliche Kanäle. Ich denke, dass auch die Produkte einfacher werden und der Einfachheit der Kanäle folgen sollten. Das wird eine große Herausforderung für Banken werden.“
Ein weiterer Punkt sind verschwimmende Grenzen in der Kundenbeziehung. Mittlerweile bewegen wir uns alle in Ökosystemen, in denen nicht mehr jeder Anbieter alles selbst macht, sondern mit spezialisierten Partnern arbeitet. Das ist von den Kunden auch akzeptiert. Sie sind bereit, Intermediäre in Anspruch zu nehmen. Wir kennen das vor allem in der Baufinanzierung, aber auch in anderen Bereichen. Und auch hier kommen wir wieder auf die Relevanz: die Herausforderung wird darin bestehen, für den Kunden relevant zu bleiben, nicht den Kontakt zu verlieren und primärer Ansprechpartner zu bleiben.
Dr. Jörg Koschate: „Was ich eher sehe, das ist eine Verbesserung an vielen kleinen Stellen. Die werden dann in ihrer Summe einen Unterschied ausmachen. Beispielsweise wird vieles einfach schneller werden. Hier werden sicherlich KI-basierte Lösungen ins Spiel kommen. Ich bin auch überzeugt, dass in der gesamten Finanzindustrie die Kundenperspektive noch stärker in den Mittelpunkt rücken wird, in dem Sinne, dass sich die Kunden künftig weniger in ein Produkt hineindenken müssen, als die Produktentwicklung in die Kunden. Auch das sehe ich als ein Anwendungsfeld für KI und glaube, dass wir einige Veränderungen sehen werden. Ebenso wie bei Prozessen.“
Big Bang oder kleine Schritte?
In eine ähnliche Richtung argumentiert Mathias Lüdtke-Handjery. Auch er geht von einem „Big Bang“ im Sinne der "einen" technologischen Veränderung aus. Er erwartet vielmehr, dass es gerade mit der Unterstützung durch KI zu einer Vielzahl kleiner Veränderungen kommen wird, die in ihrer Summe aber einen erheblichen Unterschied ausmachen könnten: „An der Beratung als solcher hat sich ja im Wesentlichen nichts verändert. Was sich aber heute schon verändert hat, ist die Art, wie ich sie nutze. Vielleicht kann man ja bald mit dem Berater virtuell auf die gleiche Anwendung schauen. Das würde noch mehr Nähe schaffen und Vertrauen aufbauen.“
Entwicklungsbedarf sieht er allerdings bei der Art und Weise, wie wir alltäglichen Aufgaben begegnen: „Nehmen Sie die Identifikation, also etwa das Post-Ident-Verfahren. Da müsste es bald etwas Zeitgemäßeres geben. Hier ruhen große Hoffnungen auf KI-basierten Lösungen.“ Ein großes Thema sei auch Orientierung: In der Flut von Angeboten ginge der Überblick verloren. „Eine künstliche Intelligenz, die die Beratung unterstützt, indem sie Informationen analysiert und der Beratung vorsortiert zur Verfügung stellt: das wäre eine echte Hilfe.“
Tiefgreifendere Veränderungen technologischer Natur sieht Dr. Marcus Walden auf uns zukommen: „Die nächsten größeren Veränderungen werden auf jeden Fall aus dem Bereich der Digitalisierung kommen. Es mehren sich die Stimmen, die sagen, dass wir erst den Anfang gesehen haben. Gerade wenn man an die Möglichkeiten von KI-Anwendungen denkt, glaube ich, dass wir erst die Spitze des Eisbergs gesehen haben.“ Er geht auch davon aus, dass die Tokenisierung und die Technik dahinter bald in der Breite ankommen. „Die Wahrscheinlichkeit ist auch gar nicht so klein, dass wir in 10-20 Jahren Veränderungen aus einer Richtung haben, die wir heute einfach noch gar nicht kennen“, so Walden weiter. Auf Sicht von 10 Jahren seien aber Tokenisierung und KI die beiden Themen, von denen zu hören sein würde.
Der Blick nach vorne fällt für ihn auch auf ein Thema, das nur mittelbar mit veränderter Technologie zu tun hat, nämlich die Bedeutung von Nachhaltigkeit. Zunächst ging die Nachfrage primär von den institutionellen Anlegern, so Nachhaltigkeitskriterien mittlerweile zum Investmentstandard gehören. Auch die Privatkunden hätten gesehen, dass nachhaltige Investments nicht nur für dem Gewissen gut tun, sondern auch unter Performance-Gesichtspunkten funktionierten. Nachhaltigkeit würde gerade etwas durch die Schlagzeilen des Weltgeschehens überlagert, aber das Thema sei deswegen nicht weg. Besonders interessant sei die Prognose dann, wenn man die großen Themen im Kontext sehe, meint Dr. Marcus Walden: „Wenn man Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammen betrachtet, dann wird es richtig spannend. Aus dieser Schnittmenge könnten wir in den kommenden Jahren noch einige interessante Entwicklungen sehen.“
Fazit
War der Multikanalansatz der Nullerjahre vor allem ein Thema der Banken-IT, mit dem sich die Kunden auseinandersetzen mussten, reicht die Beschäftigung damit heute bis auf die Ebene der einzelnen Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in die Häuser der Finanzdienstleister hinein. Die Nachfrage nach mehr digitaler Kundennähe wird im Zeitalter von Smartphone und Homeoffice von der Kundenseite getrieben und branchenfremde Wettbewerber geben ein höheres Entwicklungstempo vor. Es geht längst nicht mehr um „entweder oder“ zwischen digitaler und physischer Präsenz, sondern um „sowohl als auch“. Die Digitalisierung verdrängt nicht die Beratung, sondern ergänzt sie und macht sie verfügbarer. Die Filiale hat weiterhin ihren Platz im Mix der Kommunikationskanäle mit dem Kunden. Es kommt darauf an, wie man sie sinnvoll nutzt. Die Digitalisierung ist vor allem hinter den für den Kunden sichtbaren Kulissen und auf Prozessebene im vollen Gange. Und nach allem, was wir heute schon an KI-basierten Ansätzen gesehen haben, ist es zumindest nicht auszuschließen, dass wir erst ihren Anfang gesehen haben.