08. March 2024 von Dirk Wohleb | Geldanlage
Wahljahre sind gut für US-Börsen
Seit Mittwoch steht fest: Im November tritt Joe Biden gegen Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen in den USA an. Vorausgesetzt beide bleiben gesund. Kapitalmarktexperten erklären, was das für die Börsen bedeutet.
Nach dem Super Tuesday mit den Vorwahlen in mehr als einem Dutzend Bundesstaaten ist klar, dass sich bei den US-Präsidentschaftswahlen im November die Kandidaten der Wahlen von 2020 erneut duellieren werden. Nur dieses Mal in umgekehrten Rollen: Im November wird Donald Trump den amtierenden Präsidenten Joe Biden herausfordern. Viele Finanzberater werden von ihren Kunden gefragt, wie sich mögliche Wahlergebnisse auf die Aktienmärkte auswirken wird und ob es Sinn macht, auf Unternehmen aus Branchen zu setzen, die bei den Kandidaten beliebt sind.
Portfolios nicht politisch ausrichten
„Anlegerinnen und „Anleger könnten der Versuchung erliegen, ihre Portfolios im Wahljahr politisch auszurichten und zu optimieren. Doch die Historie lehrt uns, dass diese Strategie mittelfristig selten den gewünschten Ertrag brachte, selbst wenn eine Partei im Laufe der Zeit stringent ihre wirtschaftlichen Ziele verfolgt und implementiert hat“, erklärt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass an den Börsen ein gegenteiliger Effekt eintreten kann – und Branchen profitieren, für die der jeweilige Präsident gar nicht „steht“. So setzt sich die Regierung von Joe Biden stark dafür ein, fossile Brennstoffe zu reduzieren und erneuerbare Energien zu fördern. Die US-Regierung hat mit dem „Inflation Reduction Act“ in Höhe von 369 Milliarden US-Dollar das bisher umfangreichste staatliche Programm zum Klimaschutz verabschiedet.
„Vor diesem Hintergrund hätte man erwartet, dass traditionelle Energieaktien abgestraft und erneuerbare Energien in die Höhe schnellen würden. Tatsächlich ist genau das Gegenteil eingetreten“, erklärt Tilmann Galler. Seit Inkrafttreten des Gesetzes im August 2022 hat der Index für erneuerbare Energien allerdings ein Drittel seines Wertes verloren, während traditionelle US-Energieaktien 14 Prozent an Wert gewonnen haben.
Vor fünf Jahren war es genau umgekehrt. Der damalige Präsident Donald Trump setzte sich während seiner Präsidentschaft energisch für die Unterstützung der traditionellen Energiewirtschaft und die Genehmigung von Bohrpachtverträgen ein. Doch der S&P 500 Energy Index fiel während seiner Präsidentschaft um 40 Prozent, während der S&P 500 Global Clean Energie Index von seinem Amtsantritt bis zum Wahltag 2020 um 280 Prozent zulegte.
Inflation und Konjunktur wichtiger als Präsidentschaftswahl
Für die Aktienmärkte dürfte es nach Meinung von Marktexperte Galler im US-Wahljahr viel entscheidender sein, ob die Inflation endgültig besiegt ist und es tatsächlich zu einer weichen Landung der Wirtschaft kommt. „Eine konzentrierte politische Ausrichtung des Portfolios ist deshalb für uns im Wahljahr keine sinnvolle Option – vielmehr rechtfertigt der Optimismus der letzten Monate eine Stärkung der Defensive durch eine breite globale Diversifikation“, fasst Tilmann Galler zusammen.
Grundsätzlich ist eine US-Präsidentschaftswahl ein gutes Umfeld für die Aktienmärkte. „Der US-Aktienindex S&P 500 hat in jedem Wahljahr seit 1929 eine durchschnittliche jährliche Rendite von plus 6,2 Prozent erzielt“, sagt Charlotte Daughtrey, Aktienanlage-Spezialistin bei Federated Hermes Limited. „Wir bieten keinen Ausblick auf das Ergebnis – unsere Kristallkugel ist nicht weniger trüb als die anderer –, aber was für die Märkte wichtig ist, ist die Tatsache, dass es sich aus Markt-Perspektive um einen relativ risikoarmen Wahlkampf handelt, da beide Kandidaten bereits zuvor das Amt innehatten. Sicher ist, dass beide eine starke Wirtschaft anstreben werden, und das ist in der Regel auch gut für die Märkte“, sagt Daughtrey.
Mit den Folgen einer möglichen Wiederwahl von Donald Trump hat sich Julian Howard, Lead Investment Director für Multi-Asset Class Solutions beim Investmenthaus GAM Investment beschäftigt: „Das Erste, was eine neue Trump-Regierung wahrscheinlich tun wird, ist die Verlängerung der Steuersenkungen von 2017. Dies dürfte für die Verbraucher hilfreich sein, die laut Umfragen des Michigan Consumer Sentiment weiterhin vorsichtig sind. Für die Aktienmärkte könnte eine anziehende Konjunktur jedoch inflationär wirken und die von der Fed in diesem Jahr angedachten Zinssenkungen könnten verschoben werden.“
Trump droht mit höheren Zöllen
Ein weiteres Risiko für den Aktienmarkt wären für Howard die von Donald Trump angedrohten höheren Zölle auf China, die angesichts des US-Konsums chinesischer Waren ebenfalls inflationär wirken würden: „Wir haben das Gefühl, dass diese Drohung ähnlich wie das Versprechen der mexikanischen Mauer ist – ein Signal der Absicht, aber nicht unbedingt etwas, das vollständig umgesetzt würde, da die Verbraucher selbst darunter leiden würde.“ Die Effekte auf die Aktienmärkte dürften sich daher in Grenzen halten.