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Interview mit Jörg Herzog, Finanzmakler und Anlageberater in Berlin

 

Von DR. HERBERT WALTER

Jörg Herzog sagt, warum in seiner Beratungspraxis zu nachhaltigen Geldanlagen es immer öfter um unternehmerische Transformationen geht und zu welchen Anlagestrategien er seinen Kunden:innen dabei gerne rät. 

Jörg Herzog

 

Herbert Walter: Herr Herzog, wie erklären Sie als Anlageberater Ihren Kunden, warum bei nachhaltigen Geldanlagen immer häufiger Stichworte wie Transition oder Transformation fallen?

Jörg Herzog: Weil es gezielter Geldzuflüsse bedarf, um den Übergang von der überkommenen zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu finanzieren. Dazu ist großes Engagement aller Beteiligten gefragt. Es reicht nicht, wenn nur die Industrien ihre Kohlendioxid-Emissionen absenken. Auch die Arbeitskräfte müssen sich neu orientieren und sich zunehmend auf eine fundamentale Transformation einstellen, wie etwa die künstliche Intelligenz. Und zu guter Letzt steht die Finanzwirtschaft vor einer Jahrhundert-Herausforderung: die Übergangsfinanzierung auch tatsächlich stemmen zu können.

 

Herbert Walter: Ist Ihren Anlagekunden das Ausmaß dieser unternehmerischen Transformation, dieses Umbruchs, heute schon bewusst? 

Jörg Herzog: Viele meiner Kunden sagen im Gespräch, dass ihnen Nachhaltigkeit oder das Kürzel ESG wichtig ist. Wenn ich dann genauer nachfrage, wie weit sich mein Gesprächspartner schon mit der Materie beschäftigt hat, wird eines deutlich: Meist haben sich die Anlagekunden noch keine abschließende Meinung zu einer nachhaltigen Geldanlage gebildet. So ähnlich steht es dann oft auch im Protokoll zur Beratung. Und damit fühlen sich meine Kunden auch korrekt gelesen.

 

Herbert Walter: Wenn ich mit Bekannten über nachhaltige Geldanlagen rede, frage ich sie meist, was für sie wichtig ist. Bei den Antworten fällt mir in aller Regel eines auf: Die meisten wissen ziemlich genau, was sie gerade nicht wollen. Wie erleben Sie das in ihrer Beratung?

Jörg Herzog: Wenn ich im Kundengespräch erlebe, dass mein Gesprächspartner intuitiv die sogenannten „Ausschlüsse“ im Blick hat, versuche ich, mit ihm über ein paar konkrete Punkte zu reden. Auf jeden Fall ermuntere ich ihn, seine Vorstellungen zu präzisieren und etwa zu formulieren, wohin er sein Geld nicht geben will. Dann wird es meist schnell recht konkret: Viele wollen nicht in Unternehmen investieren, die kontroverse Waffen herstellen oder die in Bereichen wie Kohle und Öl tätig sind. Andere sind stark darauf bedacht, auf keinen Fall Wertpapiere von Firmen im Portfolio zu haben, die gegen bedeutende Schutzrechte verstoßen, z.B. in Konflikt mit Menschenrechten, Arbeitsrechten oder Umweltgesetzen zu kommen.

 

Herbert Walter: Würden Sie Ausschlüsse als Strategie empfehlen, wenn mir als Anleger wichtig ist, beim Aufbau meines Wertpapierportfolios Unternehmen auf ihrer Reise hin zur Nachhaltigkeit über Jahre zu begleiten?

Jörg Herzog: Ich würde auf jeden Fall versuchen, Ihnen folgendes zu verdeutlichen: Wenn Sie primär mit Ausschlusskriterien arbeiten, sind sie dabei, Ihr Portfolio negativ zu screenen. Sie schließen damit Unternehmen aus ihrem Anlageuniversum aus, die z.B. bestimmte ESG-Kriterien nicht erfüllen. Das heißt: Als Anleger ziehen sie Gelder aus klimaschädlichen Investitionen ab (Divestment), unter anderem aus fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas. Damit verpassen sie auch jene Unternehmen aus „braunen“ Branchen, die sich dezidiert transformieren wollen und den Plan haben, zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft CO2-neutral zu sein.

 

Herbert Walter: Das muss man sich natürlich gut überlegen. Wie löst die Praxis dieses Problem?

Jörg Herzog: Ein Ausweg wäre, mit Umsatzschwellen zu arbeiten. Ich könnte als Anleger oder Berater etwa sagen: Ich akzeptiere bei Beteiligungsunternehmen einen Umsatzanteil für Kohle von 5 Prozent. Auf diese Weise gehe ich in meiner Anlagestrategie den Weg des Sowohl-Als-Auch: Ich arbeite mit bestimmten Ausschlusskriterien – stelle aber zugleich sicher, dass Unternehmen auf der Transition von „braun“ zu „grün“ Teil meines Portfolios sein können.

 

Herbert Walter: Mit „nachhaltig investieren“ ist häufig gemeint, sein Geld in Solarparks, Photovoltaik und Ähnlichem anzulegen. Werden Unternehmen mit einem – wenn auch kleinen – „braunen“ Umsatzanteil als Anlagealternativen denn in der Praxis heute überhaupt noch akzeptiert?

Jörg Herzog: Nicht immer, aber es kommt auf den Einzelfall an. Ich könnte als Berater wie folgt argumentieren: Je mehr Anlagealternativen mein Anlagekunde aussortiert, umso kleiner wird naturgemäß sein nachhaltiges Produktspektrum. Er macht sich das Leben selbst schwer, weil er sich kaum mehr ein vernünftiges Chance-Risiko-Profil zusammenstellen kann.

 

Herbert Walter: So weit, so gut. Wie könnte eine Lösung aussehen?

Jörg Herzog: Kunden lassen sich im persönlichen Gespräch durchaus überzeugen, dass nicht jedes Investment von Anfang an „dunkelgrün“ sein muss. Wenn ich für einen Anleger ein Portfolio über diverse Branchen hinweg zusammenstelle, kommen dafür nicht nur jene Unternehmen infrage, die in Puncto Nachhaltigkeit vorweg gehen. Für die längerfristige Performance seines Portfolios ist es auf jeden Fall vorteilhaft, wenn mein Kunde bereit ist, auch Investitionen in Nachzügler bzw. Spätentwickler zu tätigen.

 

Herbert Walter: Ich habe das Gefühl, dass sie in Sachen nachhaltiger Geldanlage ein Freund des positiven Denkens sind. Heißt: Vom „Positive Screening“ halten sie mehr als von Ausschlüssen. Richtig?

Jörg Herzog: Ja, lassen Sie es mich so sagen: Ich bin hier mehr für ein „Sowohl-Als-Auch“ statt eines „Entweder-oder“. Es ist gut, dass Anleger und Berater aus einem ganzen Strauß an nachhaltigen Anlagestrategien wählen können. Nur so können wir effektiv sein bei der Jahrhundert-Aufgabe, unsere europäische Industrie – mit ihren vielen „braunen“ Unternehmen und Branchen – in die „nachhaltige Welt“ zu transformieren. Ich selbst halte viel von Themenfonds und gezielten Best-in-Class-Ansätzen – vor allem, wenn sie durch Strategien wie ESG-Integration und Engagement unterstützt werden.

 

Herbert Walter: Was spricht aus Anlegersicht für das Prinzip gezielter Investitionen in „Best-in-Class“ Unternehmen?

Jörg Herzog: Der Anleger investiert hier in die führenden Firmen einer Branche, die sich die nachhaltige Transition auf die Fahne geschrieben haben. Dazu werden Firmen einer Branche nach bestimmten (Positiv-)Kriterien miteinander verglichen, etwa orientiert an den drei Buchstaben ESG. Das heißt dann: Dem Firmenvergleich liegen ökologische und soziale Kriterien zugrunde plus gute Unternehmensführung als dritter Punkt. Durch das Vergleichen entsteht hier ein Wettbewerb, etwa der ökologisch besten Energieanbieter. Oft werden sie dann in einer Rangliste anschaulich gezeigt.

 

Herbert Walter: Wie setzen Sie denn „Best-in-Class“ in Ihrer Anlagepraxis ein?

Jörg Herzog: Oft wird der Ansatz des Best-in-Class“ als dicker Daumen genutzt, um sich grob zu orientieren. In einem zweiten -Schritt, der Feinauswahl, nehmen Berater dann durchaus ergänzend weitere Ansätze hinzu, wie etwa das Konzept der Ausschlusskriterien. Damit versuchen sie, einen zentralen Kritikpunkt zu entkräften, dem sich das Best-in-Class-Prinzip ausgesetzt sieht.

 

Herbert Walter: Was ist der zentrale Punkt, den Kritiker an Best-in-Class auszusetzen haben?

Jörg Herzog: Kritisch angemerkt wird manchmal, dass mit dem Prinzip des „Best-in-Class“ durchaus auch falsche Erwartungen bei Anlegern geweckt werden können. Und in der Tat gibt es viele „Klassenbeste“ einer Branche, die nicht wirklich nachhaltig wirtschaften. Deshalb sage ich meinen Kunden immer: Best-in-Class-Kandidaten müssen noch lange nicht dunkelgrün sein, aber die gute Botschaft ist: zumindest sind sie „grüner“ als der eine oder andere ihrer Wettbewerber.

 

Herbert Walter: Haben Sie ein Beispiel mitgebracht?

Jörg Herzog: Ja, den französischen Energiekonzern TotalEnergies. Die frühere „Total“ zeigt sich – nach langem Widerstand – inzwischen offen für die Erkenntnisse der Klimaforschung. Das Unternehmen hat heute die Ambition, bis spätestens 2050 CO2-neutral zu sein und in der Energie Transition eine führende Rolle zu spielen. Auch will es künftig zu den fünf größten Produzenten von Erneuerbarer Energie gehören. Dazu sind hohe Investitionen in Windparks, Solaranlagen etc. geplant. Im Gegenzug hat TotalEnergies begonnen, die Tankstellennetze in einigen Ländern zu verkaufen. Für die Glaubwürdigkeit an den Märkten wird entscheidend sein, dass es gelingt, die langfristige Transformation zu einem Multi-Energie-Unternehmens erfolgreich zu meistern und die kurzfristig gesetzten Etappenziele zu erreichen.

 

Herbert Walter: Abschließend noch zu den nachhaltigen Themenfonds. Wie erläutern Sie einem Anleger, um was es da geht?

Jörg Herzog: Hier investiert der Anleger in Themen, mit denen er die Nachhaltigkeit voranbringt und die einen ESG-Bezug haben. Dazu werden ausgewählte ESG-Faktoren in die Fondsgestaltung einbezogen. Auch wird darauf geachtet, dass die nachhaltige Motivation nachgewiesen wird. Gängige Branchen für Themenfonds sind erneuerbare Energien, Wasser und Wasserstoff oder „grüne“ Immobilien.

 

Herbert Walter: Was begeistert sie an Themenfonds?

Jörg Herzog: Thematische Fonds geben Anlegern die Chance, an globalen Megatrends zu partizipieren. Ein Beispiel ist die „ökologische Herausforderung“. Hierzu gehören Investitionen in klima- und umweltfreundliches Wirtschaften, etwa mit dem Ziel eines schonenden Umgangs mit knappem Wasser. Auch Geldanlagen, die den Paradigmenwechsel zu einer Kreislaufwirtschaft unterstützen, gehören dazu. Ressourcen, wie etwa gebrauchte Batterien werden dabei immer weiter aufgearbeitet, bis daraus so viele Grundstoffe wie nur irgend möglich zurückgewonnen wurden.

 

Herbert Walter: Wie gehe ich vor, wenn ich in den Megatrend der zirkulären Ökonomie investieren will?

Jörg Herzog: In der Praxis geschieht dies oft durch Anlagen in Unternehmen, die ausgewählte Nachhaltigkeitsziele der UN (UN SDGs) verfolgen, wie z.B.: Gesundheit und Wohlergehen, Menschenwürdige Arbeit, Infrastruktur und nachhaltige Produktion, nachhaltiger Konsum etc.

 

Herbert Walter: Was ist der besondere Charme von Themenfonds für den Investor?

Jörg Herzog: Anleger können entsprechend ihren ganz persönlichen Präferenzen in Zielbranchen investieren – und auf diese Weise ihre nachhaltigen Investments mit ihren individuellen Werten verbinden. Themenfonds versprechen dann besondere Renditechancen, wenn es dem Vermögensverwalter bzw. Anlageberater gelingt, die erfolgreichsten unternehmerischen Profiteure von Megatrends ausfindig zu machen. Sternebewertungen auf Vergleichsportalen wie WhoFinance.de können ihren Nutzern bei der Suche nach einem passenden Berater wertvolle Orientierung geben.

 

ZUR PERSON:

JÖRG HERZOG

Jörg Herzog ist Finanzmakler und Anlageberater und mit Herz und Seele in Berlin tätig. Er identifiziert sich ganz besonders mit Themen rund um die kompetente und kontinuierliche Finanzberatung von Privatkunden und Freiberuflern. Wichtig ist ihm dabei: Seine Mandanten durchwegs zufrieden zu stellen und ihnen durch außergewöhnlichen Einsatz auch immer wieder ein „Wow“ zu entlocken. Konzeptionell stützt sich seine Beratung auf eine systematische Finanzplanung. Besondere Momente im Zusammenwirken mit seinen Kundinnen und Kunden erlebt er bei der Beratung zur Anlage von Vermögen, bei der Absicherung von Risiken jedweder Art und bei der Finanzierung von eigenen Immobilien sowie Kapitalanlagen. Jörg Herzog startete seine Karriere bei der Commerzbank und durchlief dort erfolgreich die Stationen vom Auszubildenden zum Filialdirektor, ehe er nach 12 Jahren Finanzberater bei MLP wurde. Seit 2006 ist er als produkt- und bankenunabhängiger Finanz- und Versicherungsmakler sowie Anlageberater tätig.

 

DR. HERBERT WALTER

Foto Dr. Herbert Walter

Dr. Herbert Walter arbeitet seit rund 40 Jahren in der Finanzbranche. Seine Laufbahn begann er 1983 in der Deutschen Bank. Dort war er zuletzt Mitglied des obersten Konzernführungsgremiums und weltweit verantwortlich für den Unternehmensbereich Private & Business Clients. 2003 wurde er Holdingvorstand der Allianz SE und Vorstandsvorsitzender der Dresdner Bank AG. Seit 2009 ist er selbständig tätig und Inhaber von Dr. Herbert Walter & Company, einer unabhängigen Beratungsfirma mit Fokus auf Finanzdienstleister.