09. March 2023 von Dr. Herbert Walter | Nachhaltigkeit
Allianz, DWS und Union Investment im ESG-Ranking unter Top 25
VON DR. HERBERT WALTER
Bei Abstimmungen auf Hauptversammlungen schneiden europäische Fondsanbieter in puncto ESG deutlich besser ab als ihre US-Wettbewerber. Von 68 Asset Managern gehören Allianz, DWS und Union Investment zu den Top 25 Anbietern, die ihr Stimmrecht besonders ESG-orientiert einsetzen.
Europäische Asset Management Firmen haben sich bei Abstimmungen auf Hauptversammlungen im Jahr 2022 besonders ESG-orientiert verhalten. Wie eine aktuelle Bestenliste von „ShareAction“ zeigt, haben die Top 25 (von insgesamt 68 untersuchten) Gesellschaften größtenteils ihren Firmensitz in Europa. Drei davon kommen aus Deutschland: Allianz Global Investors, DWS Group und Union Investment. Zusätzlich nimmt ein weiterer deutscher Fondsanbieter, die Deka Investment, einen Platz im Mittelfeld ein.
Die US-Investmentfirmen sind dagegen überwiegend im hinteren Drittel der Rankings zu finden. Nicht weit auseinander liegen auch die amerikanischen „großen Vier“: State Street Global Advisors, BlackRock, Fidelity Investments und Vanguard.
Warum haben europäische Fondsanbieter die Nase vorne?
Kontinentaleuropäische Asset Manager unterstützten im Jahr 2022 Aktionärsanträge zu ökologischen und sozialen Themen in rund 80 Prozent der Fälle – gegenüber knapp 70 Prozent im vorausgehenden Jahr. Eine Rolle für dieses Abstimmverhalten dürfte der EU-Aktionsplan für nachhaltige Finanzen gespielt haben. Er soll Finanzströme in Richtung nachhaltiger Aktivitäten umleiten.
Die Regulierung zur Transparenz und Offenlegung fördert nachhaltige Anlagestrategien. Das ist einer der Gründe, warum Investmentfirmen sich verpflichtet fühlen, End-Investoren transparent zu machen, wie sie auf Hauptversammlungen zu verschiedenen Themenfeldern abgestimmt haben.
US-Vermögensverwalter haben die Aktionärsanträge zu ökologischen und sozialen Themen im Jahr 2022 nur zu durchschnittlich 40 Prozent unterstützt. Das ist weniger als im Jahr 2021. Teils hängt das mit Spezifika bei Energieunternehmen zusammen.
Hinzu kommt: Auch jenseits der großen vier Fondsanbieter erreichen ESG-fokussierte Anlagestrategien in den USA nicht ganz die hohe Priorität, die sie bei europäischen Investmentfirmen einnehmen. Zwar haben ESG-Investments auch in Amerika längst Fuß gefasst, aber die Verbreitung nachhaltiger Ideen bleibt offenbar hinter Europa zurück.
Ein Grund dafür kann sein, dass die Pflichten einer US-Investmentfirma dem Anleger gegenüber enger definiert sind als hierzulande. Praktisch bedeutet das, dass amerikanische Unternehmen sich stark auf die finanzielle Rendite eines Aktionärs konzentrieren. Demgegenüber schließt die Verantwortung gegenüber dem Anleger in Europa eine größere Bandbreite an Themen ein – einschließlich der Wirkung von Unternehmen auf die Umwelt und Gesellschaft als Ganzes. Dies wird unter dem Stichwort der „doppelten Materialität“ diskutiert.
Einen wesentlichen Einfluss darauf, dass der ESG-Gedanke sich in Amerika langsamer verbreitet, hat auch das dortige politische und regulative Umfeld. Unter der Präsidentschaft von Donald Trump schwankte die US-Regulierung zwischen einer eher neutralen Haltung zur ESG-Idee und einem offenen Widerstand.
Greift die Anti-ESG-Stimmung in den USA auch hierzulande um sich?
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine mit all seinen Folgewirkungen wird in Europa wie Amerika mehr über Nachhaltigkeit bzw. ESG-Themen diskutiert. Dabei zeigt sich, dass das Spektrum der Meinungen jetzt deutlich weiter auseinander geht als zuvor. Aspekte wie „Greenwashing“ („Grünwaschen“) finden auch in Deutschland eine größere Resonanz, insbesondere in Verbindung mit nachhaltiger Geldanlage,
Jüngst macht auch der Begriff des „Woke washing“ die Runde. Gemeint ist damit, dass Firmen sich mit allerlei nachhaltig klingenden Attributen schmücken, die sich bei näherem Hinsehen als leere Hülsen erweisen. Hintergrund ist eine politische Auseinandersetzung, die aus Amerika herüberschwappt und die dort mit dem Stichwort des „Woke Capitalism“ verbunden wird. Mit einem „wachsamen Kapitalismus“ ist gemeint: Aufmerksam zu sein für wandelnde Interessen von gesellschaftlichen Gruppen, etwa der jüngeren Generationen.
Als „woke“ werden US-Investmentfirmen von Republikanern kritisiert, die sich in ihrer Geschäftspolitik an ESG-Kriterien orientieren. Das hat dort teils dazu geführt, dass es staatlichen Akteuren untersagt wurde, bei Anlageentscheidungen ESG-Faktoren zu beachten bzw. mit Firmen zusammenzuarbeiten, die sich an ESG-Prinzipien orientieren. Die US-Investmentfirma Vanguard hat sich deshalb aus einer Klimainitiative zurückgezogen.
Die amerikanische Finanzaufsichtsbehörde SEC, die Security and Exchange Commission, hat mittlerweile ein Bündel an Maßnahmen erlassen mit dem Ziel, künftig das „Segeln unter falscher ESG-Flagge“ zu verhindern. Die Botschaft der SEC: Wer behauptet, ökologisch oder sozial nachhaltig zu agieren, muss sich auch daran messen lassen.
Eine wichtige Entwicklung in den USA könnte auch in Europa stärker an Bedeutung gewinnen: US-Investoren erwarten immer mehr eine transparente Berichterstattung über die politischen Aktivitäten von Gesellschaften zu einer Reihe von ökologischen und sozialen Themen. Amerikanische Investmentfirmen informieren deshalb ihre Anleger zunehmend über politisch relevante Aktivitäten von Unternehmen (z.B. deren Lobby-Praktiken), in denen sie investiert sind. Der Anleger möchte mit diesen Auskünften sicherstellen können, dass das Investment auch seinen nichtfinanziellen Präferenzen entspricht.
Warum ist es wichtig, den Fondsanbieter zu checken?
Bei vielen Investoren hierzulande ist eine Botschaft angekommen:
Genauer hinzuschauen, bei welchem Anbieter von Investmentprodukten ein Anleger sich darauf verlassen kann, seine Präferenzen in puncto Nachhaltigkeit bestmöglich erfüllt zu bekommen. Ganz praktisch geht es dabei um Fragen wie die folgenden:
– Wie übt ein Fondsmanager sein Stimmrecht auf Hauptversammlungen aus?
– Wie stimmt ein Vermögensverwalter ab, wenn es speziell um ökologische oder soziale Themen geht?
– Wie transparent berichtet er schließlich darüber?
Entscheidend ist dabei, nicht nur das individuelle Fondsprodukt in den Blick zu nehmen – sondern darüber hinaus einen Eindruck zu gewinnen, wie sich die Fondsgesellschaft verhält und wie vertrauenswürdig ihr Geschäftsgebaren im Ganzen ist.
Für Asset Manager ist es ein wichtiger Teil ihrer Verantwortung dem End-Investor gegenüber, das Stimmrecht auf Aktionärsversammlungen wahrzunehmen. Wie verantwortungsvoll dies in der Praxis geschieht, darüber gehen die Meinungen auseinander.
Manche Anleger behaupten, dass Fondsanbieter ihren Einfluss aus dem Stimmrecht nicht ausreichend geltend machen, um ökologische und soziale Themen zu adressieren. Andere halten dagegen und sind in Sorge, Fondsmanager könnten ESG-Themen ein zu großes Gewicht einräumen und damit die Investmentrendite zu schmälern.
Fakt ist: Die von den Aktionären eines Unternehmens eingebrachten Vorschläge haben oft mit dem Umgang des Managements in puncto ökologischer oder sozialer Themen zu tun. Dabei kann es darum gehen, als Aktionär mehr Transparenz im Hinblick auf Klimarisiken zu erhalten. Ein anderer Punkt kann sein, wie ein Unternehmen die Reduzierung von CO2-Emissionen umsetzen will. Auch soziale Themen stehen oft auf der Tagesordnung von Hauptversammlungen, etwa zur Diversität der Belegschaftsstruktur oder zu Fragen der Inklusion.
DR. HERBERT WALTER
Dr. Herbert Walter arbeitet seit rund 40 Jahren in der Finanzbranche. Seine Laufbahn begann er 1983 in der Deutschen Bank. Dort war er zuletzt Mitglied des obersten Konzernführungsgremiums und weltweit verantwortlich für den Unternehmensbereich Private & Business Clients. 2003 wurde er Holdingvorstand der Allianz SE und Vorstandsvorsitzender der Dresdner Bank AG. Seit 2009 ist er selbständig tätig und Inhaber von Dr. Herbert Walter & Company, einer unabhängigen Beratungsfirma mit Fokus auf Finanzdienstleister.