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Mar 14

14. March 2022 von Dirk Wohleb | Geldanlage

Neuer Standard für die Geldanlage

Seit nun dem 10. März 2021 gilt die Offenlegungsverordnung der Europäischen Union. Anbieter müssen die Nachhaltigkeit ihrer Produkte kennzeichnen und Anlageberater ab August 2022 ihre Kunden umfassend informieren.

Nachhaltigkeit ist aus der Anlageberatung nicht mehr wegzudenken. 83 Prozent der Finanzberaterinnen und Finanzberater berichten aktuell über eine steigende Nachfrage ihrer Kunden nach nachhaltigen Geldanlagen, wie eine aktuelle Umfrage von WhoFinance unter Finanzberatern zeigt. Und das ist politisch ausdrücklich erwünscht.

Die Europäische Union (EU) will bis 2050 Klimaneutralität erreichen und fördert daher Investitionen in umweltfreundliche Technologien. Ein Teil dieses EU-Aktionsplans ist die sogenannte Offenlegungsverordnung, also die „Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor“. Sie ist am 10. März 2021 in Kraft getreten.

EU will umweltfreundliche Investments fördern

Die EU will damit Kapital in umweltfreundliche Investments lenken. Das Interesse der Anleger am Thema Nachhaltigkeit ist der Hebel, mit dem die EU den Kapitalmarkt zu einem zentralen Instrument im Kampf für den Klimaschutz machen will. Ein aufwendiges Projekt, das für alle Beteiligten viel Arbeit und regulatorische Auflagen bedeutet. Mit der Offenlegungsverordnung müssen Finanzdienstleister ihre Produkte in nicht nachhaltige und nachhaltige Produkte einteilen und deklarieren. Nach Artikel 8 der Verordnung gibt es Produkte, die ökologische und soziale Merkmale sowie eine gute Unternehmensführung (ESG) berücksichtigen.

Sogenannte „Impact-Produkte“ nach Artikel 9 verfolgen konkret ein Nachhaltigkeitsziel wie etwa die Reduktion von CO2-Emissionen, wirken sich also positiv auf Umwelt und Gesellschaft aus. „87 Prozent der Finanzberater gehen davon aus, dass nachhaltige Geldanlagen mehr sind als nur ein Modetrend und damit zum Standard werden“, sagt Mustafa Behan, Gründer von WhoFinance. Anbieter müssen erklären, wie sie auf Unternehmens- und auf Produktebene mit Umwelt-, Sozial- und Führungsthemen (ESG) umgehen. So müssen sie ihre Kunden über Investments mit negativen Nachhaltigkeitsfolgen informieren. Zudem müssen Investmenthäuser darstellen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen. Damit verbunden ist eine weitreichende Berichtspflicht. So informieren etwa Fondshäuser wie Deka oder Union Investment auf ihren Webseiten, wie sie Nachhaltigkeit auf Unternehmens- und Produktebene integrieren.

Viele Details stehen noch nicht fest

„Die Offenlegungsverordnung ist ein grundsätzlicher, wichtiger Schritt, den wir schon lange gefordert haben“, sagt Angela McClellan, Geschäftsführerin des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG), dem Fachverband für nachhaltige Geldanlagen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Allerdings stehen viele Standards im Detail noch nicht fest, sodass die Bewertungen von Produkten durch die Fondsgesellschaften oft nicht vergleichbar sind: „Jeder Marktteilnehmer geht anders vor bei der Einteilung der Produkte. Es gibt viel Unklarheit bei den Anbietern.“ So würden manche Häuser offensiv Produkte als nachhaltig deklarieren, während andere Gesellschaften eher zurückhaltend seien. Aber eines steht fest: Die Verordnung markiert eine Zeitenwende. „Die neuen Offenlegungspflichten sind noch ein kleiner Gruß aus der Küche des europäischen Gesetzgebers“, sagt Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands Finanzdienstleistungen AfW. Sie zwingen die Finanzbranche zu mehr Transparenz. Zukünftig kann der Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht mehr nach Belieben verwendet werden, um werbewirksam Anlageprodukte vermitteln zu können. Die EU wird mit der Offenlegungsverordnung und weiteren, in den kommenden Monaten zu erwartenden Klarstellungen und Definitionen Greenwashing weitestgehend unterbinden.

Die Verordnung zielt auf Produktebene insbesondere auf Investmentfonds und Versicherungsanlageprodukte. Sie unterscheidet zwischen den Finanzmarktteilnehmern Lebensversicherer, Fondsverwalter,  Portfolioverwalter sowie bei den Finanzberatern Banken, Wertpapierfirmen und Versicherungsvermittler. Letztere sind betroffen, wenn sie zum Beispiel Fondspolicen vermitteln.

Es steht noch nicht fest, ob das Regelwerk auch für Finanzanlagenvermittler mit einer Zulassung nach Paragraph 34f der Gewerbeordnung gilt. In Deutschland sind Finanzanlagenvermittler vom Status einer Wertpapierfirma ausgenommen. Der von der EU verwendete Begriff Finanzberater sowie der Zweck der gesamten Verordnung sprechen jedoch dafür. Die Finanzdienstleisterverbände AfW und Votum empfehlen daher „mit Nachdruck“ auch 34f-Vermittlern, die Verordnung anzuwenden.

Berater müssen verständlich kommunizieren

Das bedeutet viel Arbeit in der täglichen Beratung: „Die Regulierung ist sehr formal und juristisch. Für uns Berater ist es eine wichtige Aufgabe, die Vorgaben verständlich umzusetzen und den Kunden zu erklären“, sagt Finanzberaterin Jennifer Brockerhoff aus Düsseldorf, die sich auf nachhaltige Finanzprodukte spezialisiert hat. „Das Verständnis von Nachhaltigkeit unterscheidet sich nicht nur bei Unternehmen und der Politik, sondern auch bei Anlegern.“ Ab August 2022 müssen Finanzberater die Nachhaltigkeitswünsche ihrer Kunden abfragen und diese bei der Auswahl von Produkten auch berücksichtigen.

Die Verordnung gilt auch für freie Makler und Mehrfachagenten: Sie müssen angeben, ob und wie sie Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen ihrer Tätigkeit berücksichtigen und die Informationen auf ihrer Internetseite veröffentlichen. In der Praxis kann dies ein kurzer Hinweis im Impressum sein oder ausführlicher als eigenständiger Menüpunkt „Nachhaltigkeitsinformationen“. Wer keine Internetseite hat, ist auch nicht in der Pflicht, so die Einschätzung der Verbände AfW und Votum. Sofern ein Vermittler Marketingaussagen tätigt, dürfen diese nicht im Widerspruch zu den Informationstexten stehen.

Ein Vermittler, der Nachhaltigkeit im Rahmen seiner Tätigkeit berücksichtigt, muss sich auf die Angaben der Produktgeber zum Beispiel in Verkaufsprospekten verlassen. Jedes Produkt selbst zu überprüfen wäre mit einem zu großen Aufwand verbunden.

Auf Nachhaltigkeitsstrategie achten

Vermittler müssen bereits bei der Auswahl ihrer Produktgeber auf deren Nachhaltigkeitsstrategie achten. Anbieter, die erkennbar keine Strategie zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in ihre Investitionsentscheidungen haben, werden gegebenenfalls nicht berücksichtigt. „Vermittler können und sollten sich aus eigenem Interesse mit den Chancen und Vorteilen nachhaltiger Geldanlage beschäftigen, ein geeignetes Produktsortiment aufbauen und Kunden aktiv darauf ansprechen. Vermittlern, die sich als Experte für nachhaltige Anlagen positionieren, bieten sich hier neue und große Wachstumschancen“, sagt Tim Bröning, Mitglied der Geschäftsleitung der Fonds Finanz Maklerservice GmbH.

Und was bedeutet das steigende Interesse der Anleger für die Produktpolitik von Fondsgesellschaften und Versicherungen? Viele Investmenthäuser haben für bekannte Produkte auch Varianten aufgelegt, die dezidiert eine nachhaltige Strategie verfolgen. So legt zum Beispiel die Deka nachhaltige Varianten von bestehenden Fonds auf, wenn es Sinn macht. Die Fondspalette komplett auf nachhaltige Produkte umzustellen, planen die großen Fondshäuser derzeit nicht.

 

Dirk Wohleb

Dirk Wohleb ist freier Wirtschafts- und Finanzjournalist. Nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre absolvierte er ein Redaktions-Volontariat bei der Mittelbadischen Presse in Offenburg, arbeitete anschließend als Redakteur bei Euro am Sonntag, der Frankfurter Rundschau und beim Wirtschaftsmagazin Capital.
Zu seinen Schwerpunktthemen zählen Nachhaltigkeit in der Geldanlage, aber auch im Reporting von Unternehmen.