04. January 2022 von Mathis Engelmann | Finanzberatung und Bewertungen
Generation Y Klischee und Realität
Zwischen „Generation Ich“ und „neuem Biedermeier“ haben sich die 25- bis 40-Jährigen von einigen Klischees freigeschwommen. Die Millennials stellen für die kommenden Jahrzehnte die dominante Gruppe der Gesellschaft dar. Sie sind eine spannende Zielgruppe für Finanzberater.
„Sie werden chronisch unterschätzt, doch sie sind es wert, dass man auf sie setzt“, singt der Berliner Kabarettist und Chansonnier Pigor über die „Kevins“, wie er die Generation der kurz vor der Jahrtausendwende geborenen umschreibt. „Die Kevins haun’ uns raus, die kennen sich überall aus, denn die sahen schon von klein auf die Sendung mit der Maus“, heißt es da ironisch weiter. Der Song „Kevins“ thematisiert die zwischen Anfang der 1980er- und den späten 1990er-Jahren geborene „Generation Y“, auch „Millennials“ genannt, über die es so viele Klischees gibt, wie zuletzt vermutlich über die 68er.
Ich, mich, mein …
Wie auch schon den vorherigen Generationen, werden den Millennials eigene Attribute zugeschrieben. So stellen sie die erste Generation der sogenannten „Digital Natives“ dar, was sowohl große Internetaffinität, als auch hohe Onlinepräsenz bedeutet. Eine Studie des Logistikunternehmens FedEx geht davon aus, dass die Millennials pro Tag bis zu 150- mal auf ihr Handy schauen. Über ihre Liebe zum Smartphone hinaus wird ihnen jedoch unterstellt, keine besonderen Interessen zu haben.
So sollen sie gerne etwas anspruchsvoll daherkommen und sich dabei überwiegend für sich selbst interessieren und weniger für die Gesellschaft. Daher auch der wenig schmeichelhafte Spitzname „Generation Me“, der eine selbstbezogene, konsumorientierte und von ihren Eltern verwöhnte Generation bezeichnet, die politisch eher unmotiviert zu sein scheint. Tatsächlich wirkt sie gerade im Vergleich mit der ihr nachfolgenden Generation Z mit der „Fridays for Future“-Bewegung eher blass.
Drei Viertel der Millennials hatten jahrelang keine Finanzberatung
Blass oder nicht – diese Millennials werden bis 2025 voraussichtlich 75 Prozent der weltweiten Arbeitskräfte stellen. Allein in Deutschland gibt es derzeit rund 22 Millionen Menschen, die zwischen 18 und 39 Jahre alt sind. Acht von zehn Finanzberaterinnen und -beratern sind daher auch überzeugt, dass die Bedeutung der Millennials für ihr Geschäft zunimmt.
Der Kindheits- und Jugendforscher Klaus Hurrelmann zeichnet von ihnen in seinem Buch „Die heimlichen Revolutionäre – Wie die Generation Y unsere Welt verändert“, ein differenzierteres Bild. So seien die ersten Digital Natives so gut ausgebildet wie keine Generation vor ihnen. Sie hätten keine Angst vor neuen Technologien und sind in den sozialen Medien zuhause. Auch sei für sie lebenslanges Lernen viel mehr zur Selbstverständlichkeit geworden als für jede Generation zuvor.
Dem stünde jedoch nicht nur eine größere Unentschlossenheit gegenüber. Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC fand heraus, dass die Millennials schlecht abschneiden, wenn es um ihre finanzielle Bildung und die Kenntnis von Grundsätzen der Geldanlage geht. So würden nur 24 Prozent grundlegende finanzielle Kenntnisse aufweisen, während ganze 66 Prozent sich finanzielle Sorgen machten. Nur 27 Prozent der Millennials hätten in den letzten fünf Jahren professionelle Finanzberatung zum Thema Sparen und Geldanlage in Anspruch genommen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass fast drei Viertel es noch nicht getan haben. Dabei ist der Bedarf an kompetenter Beratung groß.
Fast die Hälfte der Generation Y will ein Eigenheim
Auffällig an der Generation Y ist, dass sie häufig recht konservativ wirkt. Carsten Gessulat, Gründer und Inhaber der Münchner Kreativagentur Average Sucks beobachtet das Phänomen schon länger: „Die Millennials haben ein regelrechtes „Trautes Heim“-Revival verursacht, das manche auch als „neues Biedermeier“ bezeichnen: Haus mit Garten, Kinder, Hund. In der Freizeit wird gebacken und Marmelade eingekocht. Das neue Statussymbol ist nicht mehr das Auto, sondern die Küche. Darum schwirrt ein regelrechtes Universum aus Koch-, Garten-, und Lifestyle-Magazinen, die die vermeintlich heile Welt des Landlebens beschwören. Das hat sich seit Beginn der Pandemie noch einmal verstärkt.“
Für den Soziologen Hurrelmann wurzelt diese Flucht in eine heile Welt nicht zuletzt darin, dass die Millennials die erste Generation nach dem Krieg darstellen, die mit Unsicherheit zu kämpfen hatte – und hat: 9/11, die Kriege mit Afghanistan und dem Irak und die Wirtschaftskrise von 2008 hätten sie geprägt, bewusst oder unbewusst. Trotz guter Ausbildung waren für zahlreiche „Ypsiloner“ befristete Arbeitsverhältnisse an der Tagesordnung, stets verbunden mit der Ungewissheit, wie und wo es weitergeht. Gleichzeitig dämmerte die Erkenntnis, dass die Rente alles andere als sicher ist. Die Nürnberger Versicherung ermittelte, dass sich fast 40 Prozent der Millennials Sorgen um eine zu geringe staatliche Altersversorgung machen.
In starkem Kontrast zur digitalen Affinität und dem Anspruch nach individueller Verwirklichung der Generation Y steht übrigens, dass sie sich bei Entscheidungen, die Finanzen und Versicherungen betreffen, an ihren Eltern orientieren. Kein Wunder also, dass gemäß einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte 49 Prozent der Millennials eigene Häuser kaufen wollen. Ebenso wenig verwunderlich ist jedoch auch, dass die Ratschläge der Elterngeneration nicht immer auf die Verhältnisse in einer sich immer schneller verändernden Welt passen. Dabei sind die Ziele als solche sehr ähnlich: Eigenheim, Familie und finanzielle Absicherung im Alter.
Beratung ist gefragt und aktive Ansprache
Der PwC-Studie zufolge investieren nur 25 Prozent der Millennials in Aktien oder Beteiligungen, was sich angesichts der Erlebnisse mit der Finanzkrise sogar nachvollziehen lässt, als viele der jungen Berufstätigen ihr erstes Geld haben verschwinden sehen. Gleichzeitig ist fast die Hälfte aller Millennials stärker an Aktieninvestitionen interessiert als noch vor fünf Jahren. Die boomenden Märkte der letzten Jahre dürfte dazu ihren Beitrag geleistet haben.
Die Bereitschaft, sich Themen wie Altersvorsorge, Geldanlage oder Immobilie zu öffnen, ist also durchaus vorhanden und wird von einer latenten Sorge um die Absicherung im Alter unterlegt. Es bietet sich daher viel Raum für Beratung – vorausgesetzt, die Art der Ansprache stimmt. Die Initiative wird nämlich im Zweifel nicht von den Millennials selbst ausgehen. Die Nürnberger Versicherung hat sich genauer angesehen, welche Faktoren die Ansprache dieser Altersgruppe, etwa auf das Thema Altersversorgung, erfolgreich machen. Und hier lauten die beiden wichtigsten Kriterien Transparenz und Individualisierung.
Die Millennials wollen ein Angebot genau verstehen. Und sie sind selbstbewusst genug, zu erwarten, dass sie so angesprochen werden, dass es zu ihnen passt. So gesehen, setzt die Generation Y auf der Kundenseite eigentlich nur einen Standard, der für gute Beraterinnen und Berater schon längst zum Alltag gehört.
Mathis Engelmann
Mathis Engelmann ist selbstständiger Kommunikationsberater mit Schwerpunkt Finanzdienstleister. Nach dem Jurastudium begann seine berufliche Laufbahn zunächst beim Hörfunk und führte ihn dann zur Deutschen Bank in Frankfurt und später zur Münchner Privatbank Merck Finck. In dieser Zeit war er über ein Jahrzehnt lang als Leiter Marketing und Kommunikation tätig. Mathis beschäftigt sich neben den Themen rund ums Vermögen mit Fragen der gesellschaftlichen Veränderung und ihrer Kommunikation.