05. October 2014 von Dr. Herbert Walter | Altersvorsorge
Kommentar: Rente mit 70?
Gute Beratung ist die halbe Miete
Von DR. HERBERT WALTER
Wie lange wollen wir arbeiten? Wie lange können wir arbeiten? Wie lange sollten wir arbeiten? Das sind die drei zentralen Fragen in der politischen Diskussion, wenn es um das Thema demographische Entwicklung und Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rente geht.
Diese Fragen spielen aber ebenso bei unserer persönlichen finanziellen Planung eine Rolle. Schließlich hängt die Entscheidung, wann man in den Ruhestand oder zumindest Teilruhestand geht wesentlich davon ab, ob man es sich überhaupt leisten kann.
Doch heutzutage das Thema hat noch viel mehr Facetten. Ich bin der festen Überzeugung: Sowohl in der politischen Diskussion als auch bei der Vermögensplanung sind mit Blick auf die Lebensplanung im Alter viele immer noch mit den Argumenten und Instrumenten des 20. Jahrhunderts unterwegs.
Immer mehr ältere Menschen wollen länger arbeiten
Rente mit 67? Wer sagt eigentlich, dass dazu alle Menschen dazu körperlich überhaupt in der Lage sind?
Auf der anderen Seite: Rente mit 63? Wer sagt eigentlich, dass alle Arbeitnehmer, Selbständige und Unternehmer schon in diesem Alter die Füße hoch legen wollen?
Gegenbeispiele gibt es genug: Zum Beispiel die Investmentlegende Warren Buffett. Der Mann geht mit seinen 83 Jahren immer noch täglich ins Büro und waltet über ein Beteiligungs-Imperium, das seinesgleichen sucht.
Oder Wolfgang Schäuble. Der Bundesfinanzminister sitzt nicht nur seit 1990 im Rollstuhl, er hat mit seinen 72 Jahren auch noch einen der anstrengendsten Jobs der Republik.
Das könnte man als Marotte einiger superreicher alter Männer abtun, die nicht loslassen können, die ihre Arbeitswelt brauchen wie eine Droge, um weiter als wichtige und bedeutsame Person öffentlich wahrgenommen zu werden.
Wer glaubt, dass seien Einzelfälle, täuscht sich gewaltig. Rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland sind im Rentenalter und gleichzeitig berufstätig. Das entspricht einem Anstieg von 100 Prozent im vergleich zum Jahr 2003.
Und das sind beileibe nicht nur verarmte Bürger, die sich zur kargen Rente etwas dazu verdienen müssen. Viele sehen gar keinen Grund, 20 oder gar 30 Jahre Wandern zu gehen oder auf dem Golfplatz zu stehen. Sie wollen weiterhin produktiv sein.
Viele schätzen die Rente falsch ein
Das belegt auch die Wissenschaft. Zahlreiche Untersuchungen zeigen: Die Mehrheit der Menschen schätzen die Zeit des Ruhestands völlig falsch ein – finanzielle Absicherung hin oder her.
Nicht selten fällt Rentnern und Pensionären schon nach wenigen Monaten die Decke auf den Kopf. Einer Studie der Universität Bremen zufolge konnten sich finanziell gut situierte Facharbeiter einer großen Firma nur ein Jahr nach ihrer Pensionierung gut vorstellen, wieder arbeiten zu gehen.
Die Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer favorisiert heute deshalb flexible Arbeitsmodelle, statt eines starren Renteneintrittsalters. Mag sein, dass manche aus gesundheitlichen Gründen mit 63 Jahren oder sogar früher in Rente gehen müssen.
Umgekehrt gibt es aber eine stetig steigende Zahl Menschen, die sich fit genug fühlt, zumindest einen Teil ihrer Zeit ihre Erfahrungen in der Arbeitswelt weiter einzubringen. Für sie ist mit 65 oder gar 70 Jahren noch lange nicht Schluss.
Eine gute Beratung ist auch beim Renteneintritt die halbe Miete
Politik und Wirtschaft müssen darauf schon aus eigenem Interesse reagieren und flexible Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für ältere Menschen anbieten. Genauso aber sollten sich Verbraucher, Finanzberater und Versicherungsmakler auf diesen Trend ebenso einstellen.
Denn bei der Festlegung der richtigen Strategie beim Vermögensaufbau und bei der Altersvorsorge spielt es eine entscheidende Rolle, wann man plant, in Rente bzw. in Pension zu gehen.
Wer mit 60 Jahren einen Schlussstrich unter sein Berufsleben ziehen möchte, muss finanziell ganz anders planen als ein Arbeitnehmer, Selbständiger oder Unternehmer, der zehn Jahre länger im Job bleiben will.
Umgekehrt sollte ein 65-Jähriger, der nach seinem Renteneintritt möglicherweise von einer zweiten Karriere als Berater, Einzelhändler oder Gastronom träumt, mit der finanziellen Planung bereits deutlich früher beginnen – und darüber mit seinem Finanzberater sprechen.
Berufsunfähigkeit, Pflegeversicherung, finanzielles Polster – darauf kommt’s an
Die Frage nach der persönlichen Lebensplanung hinsichtlich des Renteneintritts und der Gestaltung des (Un-)Ruhestandes gehört deshalb in jedes Beratungsgespräch für Anleger und Versicherungskunden spätestens ab dem 50. Lebensjahr.
An einer Regel ändert allerdings auch der Trend zum längeren Arbeiten nichts: Jeder sollte sich dagegen absichern, entgegen seiner Planungen nicht mehr in der Lage zu sein, einer Arbeit nachzugehen oder sogar auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung, eine gute Absicherung gegen Pflegebedürftigkeit und der Aufbau von finanziellen Polstern gehören gerade auch für „Workaholics“ zur absoluten finanziellen Grundausstattung.
Wer so abgesichert ist, kann seinem Beruf mit Freude und Gelassenheit auch noch mit 67 oder 70 Jahren nachgehen. Ganz nebenbei tut er oder sie der Allgemeinheit damit auch noch einen Gefallen: Denn die Sozialversicherungssysteme werden entlastet – und die Volkswirtschaft profitiert vom Erfahrungsschatz der Älteren ebenso wie vom frischen Wind der Jüngeren.
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Tags: Altersvorsorge, Kommentar, Rente