25. April 2014 von Dr. Herbert Walter | Finanzberatung und Bewertungen
Analyse: Honorarberatung auf dem Vormarsch
Von DR. HERBERT WALTER
Kurz vor Ostern hat das Europäische Parlament ein für Verbraucher und Finanzberater wichtiges Gesetz verabschiedet: Die neue Wertpapierrichtlinie MiFID II (= Markets in Financial Instruments Directive), die ab Ende 2016/Anfang 2017 gelten soll. Im Kern sollen Kunden damit effektiver als bisher vor Falschberatung, intransparenten Gebühren und ganz allgemein vor Betrug bei der Anlageberatung geschützt werden.
Deutschland setzt einen wichtigen Teil der Richtlinie bereits zum 1. August 2014 um. An diesem Tag tritt hierzulande ein Gesetz zur Förderung der Honorar-Anlageberatung in Kraft. Die Bundesregierung hatte daran bereits in den vergangenen Jahren intensiv gearbeitet und nur noch auf die offizielle Verabschiedung von MiFID II gewartet.
Stärkere Regulierung der Beziehung Anleger und Anlageberater
Mit MiFID II zieht die europäische Politik auf einem weitere Feld Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise: In der Beziehung zwischen Anleger und Anlageberater.
Ohne Zweifel: Die in den Medien und auch von einigen Politikern vertretene These, hier hätte früher „Sodom und Gomorra“ geherrscht, ist nicht nur unfair, sondern auch in der Sache falsch. Zehntausende Finanzberater – egal ob frei oder fest angestellt – gehen jeden Tag gewissenhaft ihrer Arbeit nach. Sie tun ihr Bestes, um Verbraucher in Fragen von Geldanlage, Altersvorsorge und Versicherung zu unterstützen.
Wahr ist aber auch: Es hat in der Branche auch Fehlentwicklungen gegeben. Kunden wurden nicht nur in Einzelfällen mit Anlagevehikeln versorgt, die in erster Linie dem jeweiligen Vertrieb bzw. Produzenten hohe Provisionen sicherten, statt dem Interesse des Verbrauchers zu dienen.
Die Honorarberatung ist kein Allheilmittel
Die Stärkung der Honorarberatung haben sich vor diesem Hintergrund alle deutschen Parteien auf die Fahnen geschrieben. Einige Politiker, vor allem aus den Reihen der Grünen, fordern sogar einen radikalen Schnitt: Sie wollen die provisionsbasierte Beratung zugunsten der Honorarberatung ganz verbieten.
Damit konnten sie sich im Europäischen Parlament bei der Entstehung der MiFID II-Richtlinie allerdings nicht durchsetzen. Vor allem in Deutschland dürfte das zu einem Aufatmen bei Banken, Versicherungen und auch vielen Finanzberatern geführt haben. Denn hierzulande ist das Provisionsmodell fest etabliert.
Ein völliges Verbot der Provisionsberatung wäre meiner Ansicht nach auch nicht sinnvoll. Das zeigt das Beispiel Großbritannien. Dort ist es Finanzberatern seit etwas mehr als einem Jahr verboten, von Finanzdienstleistern Provisionen für den Verkauf von Produkten zu kassieren. Die Regierung in London will damit der unabhängigen Beratung bzw. der Honorarberatung Vorschub leisten.
Diese Regelung sieht nur auf den ersten Blick gut aus. Denn die Nebenwirkungen des Gesetzes sind beträchtlich. Die flächendeckende Einführung der Honorarberatung führt offensichtlich dazu, dass zahlungskräftige Verbraucher von vielen Finanzberatern bevorzugt behandelt werden. Dieses Phänomen ist auch aus dem Gesundheitswesen bekannt: Dort erhalten Privatpatienten Arzttermine häufig deutlich schneller als Kassenpatienten.
EU geht bei Honorarberatung und Provisionsberatung den richtigen Weg
Das Europäische Parlament hat im Rahmen von MiFID II den behutsameren Weg gewählt und fährt damit, wie ich finde, deutlich besser: Die Honorarberatung soll zwar gestärkt werden, die Provisionsberatung aber weiterhin erlaubt sein. Dieser Devise folgt laut ihrem Koalitionsvertrag auch die schwarz-rote Bundesregierung.
Gleichwohl muss sich die Finanzbranche im Rahmen von MiFID II auf deutliche Änderungen einstellen.
So muss ein Berater in Zukunft jedem Kunden mitteilen, womit er sein Geld verdient: Als Berater, der exklusiv mit Finanzdienstleistern zusammenarbeitet und beim Verkauf eines Produktes von diesen Provisionen erhält. Oder als unabhängiger Berater, der seinen Kunden Produkte von ganz verschiedenen Anbietern offeriert.
„Unabhängig“ soll sich demnach nur noch nennen dürfen, wer beim Vertrieb von Finanzprodukten von Dritten keinerlei Geld erhält. Stattdessen muss er mit seinem Kunden vorab ein Honorar für seine Beratungsleistung vereinbaren.
Unabhängige Berater müssen ab sofort schärfere Vorschriften erfüllen
Aber damit nicht genug: Wer offiziell mit „unabhängiger Beratung“ wirbt, muss laut MiFID II Finanzlösungen ganz unterschiedlicher Anbieter in seiner Palette haben. Wer im Kundengespräch nur Produkte aus dem eigenen Haus oder von einigen Vertragspartnern anpreist, riskiert seine Stellung als unabhängiger Berater.
Die nationalen Aufsichtsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten stehen in der Verantwortung, dies zu überwachen und gegebenenfalls einzuschreiten. Wenn sie es für nötig erachten, können sie nach dem Willen der Europäischen Union sogar ein komplettes Provisionsverbot erlassen.
Im Falle von Deutschland ist das vorerst aber unwahrscheinlich: Sowohl die meisten Politiker als auch die große Mehrheit der Finanzbranche wollen am Provisionsmodell festhalten und die Honorarberatung zusätzlich als festen Bestandteil der Finanzberatungsbranche etablieren.
Deutschland drückt bei Honorarberatung aufs Tempo
Wie kompliziert die Regulierung von Finanzberatung in der Praxis ist, zeigt das Beispiel des neuen Gesetzes zur Honorarberatung in Deutschland. Obwohl es am 1. August in Kraft treten soll, wird noch an wichtigen Details der dazu gehörenden Verordnungen gefeilt. Noch nicht endgültig geklärt ist beispielsweise, welche Berufsbezeichnungen es in der Honorarberatung am Ende geben wird.
Diese Frage ist nicht trivial: Denn schließlich soll die Beratungsform auf Honorarbasis in einen dauerhaften und erfolgreichen Wettbewerb treten mit seit Jahrzehnten etablierten Berufsbegriffen wie Bankberater, Finanzberater, Anlageberater, Vermögensberater, Versicherungsagenten, Versicherungsmakler, Versicherungsberater. Selbst Profis in der Finanzszene können die verschiedenen Bezeichnungen und ihre Inhalte oftmals nicht auseinanderhalten.
Honorarberater werden den Wettbewerb unter Finanzberatern beleben
Dieses Dickicht will die Politik durchschlagen. Verbraucher sollen schon anhand des Klingelschildes, der Visitenkarte oder im Internet erkennen können, mit wem sie es zu tun haben.
Noch gibt es sehr wenige Honorarberater in Deutschland. Ich bin aber sicher: Wenn sie den Ball, den Ihnen die Politik jetzt zuspielt, geschickt aufnehmen, können sie im Laufe der kommenden Jahre zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz für Berater mit etablierten Vergütungsmodellen werden.
Am Ende profitieren davon die Kunden. Denn sie haben die Wahl zwischen unterschiedlichen Beratungsangeboten und Preisen. In diesem Sinne kann ein von der Politik angestachelter Wettbewerb der Finanzberatung in Deutschland nur gut tun.
Dr. Herbert Walter, 60, führte von 2003 bis 2009 die Dresdner Bank und war Mitglied im Allianzvorstand. Vorher arbeitete er 20 Jahre für die Deutsche Bank, zuletzt war er dort weltweit für den Unternehmensbereich Privat- und Geschäftskunden verantwortlich. Heute ist Walter als selbständiger Berater und Aufsichtsrat tätig. Unternehmerisch engagiert er sich beim Finanz- & Beraterportal WhoFinance.de.
Tags: Beratung, Finanzberater, Honorarberater