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Von DR. HERBERT WALTER

 

Wortreiche Analysen einiger Volkswirte und selbsternannter „Börsengurus“ gehören zum täglichen Börsenritual. Als Berater wie als Anleger kann man über die Kreativität mancher „Finanzexperten“ bei der Suche nach Erklärungen für das Auf und Ab der Aktienkurse allerdings nur staunen. Und bei der Erstellung einer langfristigen Anlagestrategie helfen derartige Schnellschüsse auch nicht weiter.

 

Eine der beliebtesten Antworten auf die Frage, warum Dax, Dow Jones & Co. gerade gefallen oder gestiegen sind, ist der Verweis auf Verlautbarungen von Notenbankern. So auch wieder vor einigen Tagen, als die Aktienkurse etwas zurückgingen.

 

Dabei hatte die Präsidentin der US-Notenbank, Janet Yellen, schon bei ihrem Antrittsbesuch im US-Kongress verkündet: Die Fed wolle die Zinsen vorerst niedrig lassen, das Anleihekaufprogramm aber schrittweise reduzieren, sofern die US-Wirtschaft auf ihrem gegenwärtigen Erholungspfad bleibe.

 

Viele Sparer insbesondere in Deutschland hoffen dagegen inständig darauf, dass die amerikanische Notenbank ebenso wie die Europäische Zentralbank in absehbarer Zeit die geldpolitischen Zügel wieder deutlich anzieht.

 

Der Grund: Sie erhalten auf Festgeld und Tagesgeld nur noch Mini-Zinsen. Auch Kunden von Lebensversicherungen haben unter den niedrigen Zinsen zu leiden. Ein Vergleich der Lebensversicherer zeigt, dass die Überschussbeteiligungen bei nahezu allen Anbietern immer weiter sinken. Kein Wunder: Auch die Renditen für sichere Staatsanleihen, in die Lebensversicherungen im großen Stil investieren, sind auf ein Rekordtief gesunken.

 

Bernanke: Geldschwemme hat Finanzkrise ausgelöst

 

Ich habe allerdings große Zweifel daran, dass der Einfluss der Notenbanken auf den langfristigen Zins tatsächlich so groß ist wie da und dort angenommen wird. Vor allem US-Ökonomen, darunter der frühere Chef der US-Notenbank, vertreten schon seit längerem die These, dass Sparüberschüsse die Zinsen weltweit drücken.

 

Dahinter stehen Überschüsse in den Leistungsbilanzen von Ländern wie Deutschland, China und anderen. Auf der Suche nach einem „sicheren Hafen“ mit attraktiven Renditen, so Bernanke, waren diese international vagabundierenden Gelder einer, wenn nicht der Auslöser der Finanzkrise.

 

Die Geldschwemme ist in den letzten Jahren nicht kleiner geworden, ganz im Gegenteil. Einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company zufolge verdreifachte sich zwischen 1990 und 2010 die Summe aller Finanzvermögen auf 600 Billionen Dollar, und sie wird bis 2020 nochmals um 50 Prozent auf 900 Billionen Dollar klettern.

 

Wie lässt sich die globale Geldschwemme erklären? Die gestiegene Lebenserwartung zwingt die Menschen in vielen Industrieländern dazu, stärker privat fürs Alter vorzusorgen. Sie sparen mehr und konsumieren weniger, was wiederum die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen dämpft.

 

Gleichzeitig entwickelten sich – unter anderem durch die Verbreitung des Internet und die Digitalisierung – neue Industrien, die für die Herstellung ihrer Produkte deutlich weniger Kapital benötigen als das im 20. Jahrhundert der Fall war.

 

Anleger sollten Blasen in den Blick nehmen

 

Im Laufe der Jahre scheint sich die Geldwirtschaft von der Realwirtschaft abzukoppeln und mehr und mehr zu einer „Blasenwirtschaft“ zu werden. Ich meine, Anleger und Berater sollten den Fakt, dass die Welt im Geld schwimmt wie nie zuvor, fest in den Blick nehmen. Keine Frage: Die hohe Liquidität beeinflusst die Zinsen an den Märkten ganz unmittelbar – und das ist wichtig für die Vermögens- und Vorsorgestrategie.

 

Sofern die niedrigen Zinsen unabhängig von der Geldpolitik zu einem dauerhaften Phänomen werden, hätte das gravierende Auswirkungen auf die Renditeerwartungen für Zinsanlagen. Die Hoffnung, dass es schon in wenigen Jahren wieder Renditen von 3 bis 4 Prozent auf Bundesanleihen und für Lebensversicherungen geben könnte, würde sich dann als schöner Traum entpuppen.

 

Und noch ein zweites: Die niedrigen Zinsen sorgen schon seit geraumer Zeit für einen ungeahnten Boom bei Aktien und auch bei Immobilien in vielen deutschen Städten. Das wiederum nährt die Sorge, dass sich in einigen Märkten bereits neue Vermögenspreisblasen bilden.

 

Wenn eine oder mehrere dieser Blasen platzen, drohen Privatanlegern, die in Aktien, Aktienfonds oder auch eine Eigentumswohnung als Kapitalanlage investiert haben, empfindliche Verluste.

 

Wer auf der anderen Seite zu früh aus einem dieser Märkte aussteigt, weil er den Einfluss der Notenbanken überschätzt, tut sich mit Blick auf den Vermögensaufbau auch keinen Gefallen.

 

Gefragt sind starke Nerven und gute Beratung

 

Für Anleger und Berater bedeutet das: Im Falle dauerhaft niedriger Zinsen wird es bei der Vorsorge oder Vermögensbildung maßgeblich darauf ankommen, einen Überschwang in Märkten wie Aktien, Immobilien oder Edelmetallen frühzeitig zu erkennen. Die Zeiten, in denen man beruhigt ein paar Wertpapiere kaufen und über mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte auf eine solide Entwicklung vertrauen durfte, sind endgültig vorbei.

 

Ohne ein gutes Nervenkostüm und vor allem ohne Expertenwissen wird es für jeden Anleger in dieser Welt schwer, sein Vermögen vor empfindlichen Verlusten aufgrund platzender Blasen zu bewahren.

 

Selbst diejenigen, die ihre Anlagen „do-it-yourself“ erledigen, beginnen sich deshalb zu fragen, ob sie vor diesem Hintergrund nicht doch wieder einen Berater in Anspruch nehmen sollten – und sei es nur, um eine zweite Meinung in Situationen einzuholen, auf die es wirklich ankommt.

 

 

Dr. Herbert Walter, 60, führte von 2003 bis 2009 die Dresdner Bank und war Mitglied im Allianzvorstand. Vorher arbeitete er 20 Jahre für die Deutsche Bank, zuletzt war er dort weltweit für Privat- und Geschäftskunden verantwortlich. Heute ist Walter als selbständiger Berater und Aufsichtsrat tätig. Unternehmerisch engagiert er sich beim Finanz- & Beraterportal WhoFinance.de.

 

 

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