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Dec 05

05. December 2013 von Dr. Herbert Walter | Geldanlage

Kommentar: Bei Aktien gilt jetzt: Qualität geht vor Quantität

Foto Dr. Herbert Walter

Von DR. HERBERT WALTER

 

Die Börsen in Europa und den USA haben in den vergangenen Monaten einen lange nicht gesehenen Boom erlebt. Alleine in den vergangenen eineinhalb Jahren legte der Dow Jones 30 Prozent zu, Dax und EuroStoxx um 50 Prozent, Japans Nikkei-Index sogar um 90 Prozent.

 

Wer schlau oder gut beraten war und rechtzeitig eingestiegen ist, ob über direkte Aktieninvestments oder über ETFs und Investmentfonds, hat bis heute also satte Buchgewinne gemacht.

 

Nun stellt sich für Anleger und Finanzberater die Frage: Soll man Gewinne mitnehmen oder auf eine Fortsetzung des Aufschwungs setzen?

 

Die Frage nach der richtigen Strategie ist so schwierig zu beantworten wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Im Zuge der systemischen Krise von 2008 hat die Weltwirtschaft ihre Balance verloren. Viel Kapital flüchtete damals von der westlichen Welt in die „Emerging Markets“.

 

Nun kehrt es langsam nach Europa, Amerika und Japan zurück, die Wirtschaft in den Industrieländern erholt sich wieder – abzulesen an dem Börsenboom der vergangenen Monate. Aber niemand kann wirklich einschätzen, wie nachhaltig die Erholung ist.

 

Manch ein Ökonom und Analyst geht davon aus, die breite Aufwärtsbewegung würde aufgrund der ultralockeren Geldpolitik der westlichen Notenbanken weitergehen. An eine Art Selbstläufer zu glauben, halte ich aber für zu riskant.

 

Die großen Indizes haben in den vergangenen Tagen schon nervöse Ausschläge nach unten verzeichnet. Sicher hängt das auch damit zusammen, dass eine Reihe von Anlegern nun Gewinne mitgenommen haben. Einige zusätzliche überraschende Negativnachrichten können in einem solchen Umfeld dafür sorgen, dass die Kurse weiter ins Rutschen kommen.

 

Meiner Ansicht nach wäre deshalb die falsche Strategie, nun die Hände in den Schoß zu legen und einfach abzuwarten. Wer über die vergangenen zwei Jahre einen hohen Aktienanteil aufgebaut hat, sollte überlegen, ob er ihn im Portofolio deutlich reduziert. Zumindest sollte er seine Investments ab sofort selektiver auswählen. Das heißt: Bei Aktien auf Qualität statt auf Quantität zu setzen.

 

Im Fokus sollten dabei Länder stehen, die eine innovative, global wettbewerbsfähige Industrie vorweisen können. Dazu zähle ich die USA, Deutschland – und Japan.

 

In Tokio versuchen Politik und Notenbank seit Anfang der 90er Jahre, die grassierende Deflation zu stoppen. Seit einigen Monaten setzt die aktuelle Regierung auf die sogenannte „Abenomics“-Strategie, benannt nach Premierminister Shinzo Abe. Ihr Kern: Staatliche Ausgabenprogramme plus eine gigantische Geldflut. Derzeit sieht es so aus, als würde diese Methode zumindest vorläufig wirken.

 

Der Kurs des Yen ist schon jetzt deutlich gefallen, und die handelnden Akteure werden alles dafür tun, dass er niedrig bleibt. Das freut die Exportindustrie, deren globale Wettbewerbsfähigkeit dadurch steigt. Vieles spricht dafür, dass Japans Unternehmen weiter steigende Gewinne verbuchen werden.

 

Der Aktienmarkt hat deshalb in den kommenden Monaten noch Potenzial nach oben. Klar: Ob „Abenomics“ auch nachhaltig wirkt, bleibt abzuwarten. Japan-Engagements sind vorerst keine Langfrist-Engagements.

 

In USA läuft der Aufschwung am Aktienmarkt bereits seit 24 Monaten. Der Dow Jones hat vor dem jüngsten Dämpfer mit mehr als 16.000 Punkten beachtliche Höhen erreicht.

 

Das war allerdings auch eine Folge der massiven Rückschläge der Vorjahre. Trotz der Allzeithochs der wichtigsten Indizes bleiben ausgewählte US-Aktien attraktiv. Ich bin auch überzeugt davon, dass die Federal Reserve weiter versuchen wird, im Falle einer Konjunktur- und Börsenschwäche über die Geldpolitik gegenzusteuern.

 

Ein anderes Bild ergibt sich in der Eurozone. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der nach Deutschland größten Volkswirtschaften Frankreich ist beunruhigend. Manch ein Ökonom geht sogar davon aus, dass die ökonomische Schwäche des Landes an den Märkten das bestimmende Thema des kommenden Jahres sein wird. Anleger sind gut beraten, bei Aktieninvestments Vorsicht walten zu lassen.

 

Anders Deutschland: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Aktien im Dax und MDax erscheint historisch gesehen noch nicht zu hoch. Die Wirtschaft läuft weiterhin solide, die Unternehmen sind zuversichtlich. Der aktuelle Einkaufsmanagerindex kletterte von 53,2 auf 55,4 Punkte – der höchste Stand seit Mitte 2011. Auch der Industrieindex stieg, und zwar von 51,7 auf 52,7 Punkte.

 

Zum Vergleich: In Frankreichs Privatwirtschaft schrumpfte der Index im November auf 48,0 bzw. 48,8 Punkte.

 

Es gibt also Grund zur Annahme, dass es in Deutschland trotz des hohen Kursniveaus noch Kaufgelegenheiten gibt. Wer allerdings schon hohe Buchgewinne hat, sollte den Aufwärtstrend nicht bis zum letzten Punkt auszureizen versuchen. Ein Depot-Check gemeinsam mit dem Anlageberater schadet nichts. Es gilt die alte Weisheit: Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.

 

 

Dr. Herbert Walter, 60, führte von 2003 bis 2009 die Dresdner Bank und war Mitglied im Allianzvorstand. Vorher arbeitete er 20 Jahre für die Deutsche Bank, zuletzt war er dort weltweit für Privat- und Geschäftskunden verantwortlich. Heute ist Walter als selbständiger Berater und Aufsichtsrat tätig. Unternehmerisch engagiert er sich beim Finanz- & Beraterportal WhoFinance.de.

 

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