29. October 2013 von Dr. Herbert Walter | Geldanlage
Kommentar: Bankaktien – nichts für schwache Nerven
Von DR. HERBERT WALTER
Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ab November 2014 die Aufsicht über die knapp 130 größten Banken des Kontinents übernehmen. Im Vorfeld wird sie in Zusammenarbeit mit nationalen Aufsichtsbehörden bei den Häusern umfangreiche Bilanztests („Asset Quality Reviews“) durchführen, um deren Stabilität zu überprüfen und einen möglichen Kapitalbedarf festzustellen.
In Deutschland sind davon alleine 24 deutsche Kreditinstitute und vier Auslandstöchter betroffen. Gemessen an der Bilanzsumme entspricht das zwei Drittel des hiesigen Bankenmarktes.
Auf Finanzaktien hat das Vorhaben bisher keine gute Auswirkung. Seit Tagen verlieren die Titel der Kreditinstitute an Wert – eine Folge der Unsicherheit auf Seiten von institutionellen Investoren und Privatanlegern. Die bange Frage lautet: Welche Risiken stecken möglicherweise noch in den Büchern einiger Banken?
Ich meine, die EZB wird eine eher strenge Untersuchung vornehmen. Sie wird sich in der Öffentlichkeit nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, bei der Prüfung ein oder gar zwei Augen zugedrückt zu haben – so geschehen bei den letzten Stresstests in Europa vor zwei Jahren.
Die breite Öffentlichkeit hat bei der Prüfung der Bilanzen vor allem Banken an der Peripherie der Eurozone im Blick. Diese haben zuletzt am stärksten unter dem Preisrückgang am Immobilienmarkt und der miserablen Wirtschaftslage gelitten.
Wer allerdings meint, deutsche Banken müssten bei der EZB-Untersuchung nichts befürchten, könnte sich täuschen. Hierzulande fahren Kreditinstitute hinsichtlich Privat- und Unternehmenskrediten zwar eine überwiegend vernünftige Geschäftspolitik. Einen ganz großen Nachholbedarf bei der Risikovorsorge sehe ich hier nicht.
Im Zentrum der kritischen Blicke der EZB in Deutschland werden aber die Schiffskredite stehen und das gewerbliche Immobiliengeschäft. Vor allem Landesbanken, aber auch einige private Banken stehen hier im Fokus der Aufseher. So übertrifft sich der Markt täglich aufs Neue mit Schätzungen, wie groß der Anteil der Schiffsfinanzierungen von etwa 100 Milliarden Euro ist, die über kurz oder lang ausfallen werden.
Kein Wunder, dass diese Unsicherheit den Aktienkursen der Banken nicht gut bekommt. Die EZB hat den Zeitraum, in dem sie die Bilanztests durchführt, auf ein Jahr verlängert. Das gibt den europäischen Kreditinstituten die Möglichkeit, ihre Bilanzen zu säubern oder ihr Kapital aufzustocken, bevor die neuen Bankenaufseher im November 2014 bekannt geben, was bei den Prüfungen herausgekommen ist.
Ich bin sicher, dass Banken mit einem guten Portfolio die Chance nutzen werden, sich vom Wettbewerb abzuheben. Je mehr Institute das sind, umso besser das Signal an die Märkte, dass die Euro-Zone den Höhepunkt der Krise hinter sich gelassen hat.
Natürlich wird es negative Überraschungen geben, auch in Kerneuropa. Solange die Politik die Frage nach einer staatlich finanzierten Re-Kapitalisierung der Häuser unbeantwortet lässt, werden die Märkte noch nervöser sein als sie es ohnehin schon sind. Konkret geht es hier um Fälle, in denen eine Bank die ab dem 1. Januar 2014 geltende Kernkapitalquote von 8 Prozent unterschreitet und private Kapitalquellen (Gläubiger und Aktionäre) nicht ausreichen, um die entsprechende Lücke zu füllen.
Die europäischen Banktitel werden sich deshalb in den nächsten 12 Monaten unterschiedlich entwickeln. Es wird Banken geben, die positiv überraschen. Wir werden aber auch Ausreißer in die andere Richtung sehen mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kurse.
Vor allem für den Privatanleger ist der Markt für Bankaktien momentan ein wenig wie eine Lotterie – wer zufällig auf den richtigen Titel setzt, gewinnt. Nichts für schwache Nerven.
Dr. Herbert Walter, 60, führte von 2003 bis 2009 die Dresdner Bank und war Mitglied im Allianzvorstand. Vorher arbeitete er 20 Jahre für die Deutsche Bank, zuletzt war er dort weltweit für Privat- und Geschäftskunden verantwortlich. Heute ist Walter als selbständiger Berater und Aufsichtsrat tätig. Unternehmerisch engagiert er sich beim Finanz- & Beraterportal WhoFinance.de.
Tags: Aktien, Bankaktien, EZB, Geldanlage