Nachhaltiges Investieren: Welche Regelungen gelten?
Fabienne Seiam: Vielen Dank Herr Schneider, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben. ESG ist ein heißes Thema. Viele Kunden wollen nachhaltig investieren, aber zum einen ist unklar, was nachhaltig ist und was nicht. Und zum anderen, inwiefern Finanzberater das in ihren Beratungsprozess einbinden können oder einbinden müssen - auch das ist noch nicht klar. Herr Schneider, können Sie uns bitte erklären, wie die Regelungen für Finanzberater aussehen?
Christian Schneider: Ja, Frau Seiam sehr gerne. Das sind mehrere Fragen in einer und ich versuche einmal, die nacheinander zu beantworten. Das ist eine Frage, die wir spannenderweise nur ab und zu von Kunden gestellt bekommen, aber sehr oft eher von Berater Kollegen. Insbesondere, was denn jetzt ab diesem Jahr gilt, ab 2022.
Dem Grunde nach beginnt ab dem 2. August dieses Jahres für Anlageberater eine neue Welt: Bislang gab es bereits die sogenannte Geeignetheitsprüfung, wo wir schon in den letzten Jahren die Kenntnisse und Erfahrungen unserer Kunden und deren finanzielle Verhältnisse erheben mussten. Das ist tatsächlich schon geübte Routine und macht auch aus unserer Erfahrung weit über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus viel Sinn, um genau zu wissen, was unsere Kunden wollen, wohin sie wollen und wie wir sie am besten dabei unterstützen können.
Wann ist ein Investment nachhaltig?
Künftig werden wir aber auch die sogenannten Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger abfragen müssen. Wir werden also zu klären haben, ob und wenn ja, welche ökologischen oder sozialen Kriterien unsere Kunden bei ihren Investments berücksichtigt wissen möchten. Bei uns im Haus setzen wir dies schon seit ungefähr einem Jahr um, auch wenn es bislang noch keine Pflicht ist. Warum? Weil es eben immer mehr Kunden gibt, die nach Geldanlagen mit Sinn suchen. Und dies können eben Anlagen sein, die besondere Kriterien im Rahmen der ökologischen, sozialen und ethischen Ausrichtung erfüllen.
Die BaFin als oberste Aufsichtsbehörde für Banken und Versicherungen sagt hierzu, noch gibt es keine einheitlichen Mindeststandards für diese nachhaltigen Geldanlagen und kein unabhängiges Verbraucherlabel. Hinter den Namenszusätzen wie ökologisch, sozial, ethisch, grün oder klimafreundlich verbergen sich ganz unterschiedliche Kriterien und jeder Anbieter kann zumindest aktuell noch etwas anderes darunter verstehen.
Das mag ernüchternd klingen, wenn jetzt jeder etwas anderes darunter verstehen kann - und um eben das zu verbessern, wurden die neuen Regelungen zum August eingeführt.
Wofür steht ESG? Ist alles Gold was glänzt?
Ich sage das deshalb so vorsichtig, weil das sicherlich noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Warum? ESG - was ist das für eine Abkürzung, für ein Wortgebilde? Das steht für Environment, Social und Governance. Oder auf Deutsch Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Das klingt zunächst positiv, doch wir haben sicherlich alle mitbekommen, wie politisch die Ergebnisse sein können, wenn in der sogenannten Taxonomie - auch ein tolles Wort - in der sogenannten Taxonomie Gas- und Kernenergie als nachhaltig klassifiziert werden. Das bedeutet nicht weniger, als dass ein Fonds, der in Gaserzeugung, in den Transport oder die Verarbeitung davon oder in Kernenergie investiert, sich ein grünes ESG-Label anstecken darf. Und das völlig zu Recht!
Da möchte ich noch gar nicht darüber nachdenken, wie viele Fonds sich „nachhaltig“ irgendwo auf die Fahne schreiben und oft gar nicht so viel anders investieren als die bisherigen Fonds, die ohne dieses Label unterwegs sind. Da wird oft eine Wirkung versprochen, die gar nicht eingehalten werden kann. Da stellt sich schnell die Frage, was zu tun ist, wenn es nur gut klingt, aber man doch etwas Sinnvolles mit seinem Geld als Investor machen will. Oder als Berater meine Kunden dorthin führen will. Den Beratern kann ich nur empfehlen, sich intensiv mit den Details auseinanderzusetzen, um die Kunden vor einem Etikettenschwindel zu bewahren.
Sollte ich meine Entscheidung für ein Investment detailliert betrachten?
Und den Kunden rate ich, ihren Berater noch mehr zu fragen als vielleicht bislang schon. Sagen Sie Ihrem Berater oder Ihrer Beraterin genau, was Sie wollen und was eben nicht. Lassen Sie sich nicht von der ESG-Bezeichnung allein leiten, auch nicht von diversen Siegeln. Die sind nämlich auch sehr unterschiedlich: zum Teil sehr fundiert und richtig gut, zum Teil aber auch gar nicht.
Ein weiterer Ratschlag an Anleger, die gern sinnvoll und im Einklang mit Nachhaltigkeitskriterien investieren wollen, ist: schauen Sie genau hin, worin ihre Fonds investieren, denn sogenanntes „Greenwashing“, also nur so tun, als ob, ist vermutlich nicht in ihrem Sinne.
Die Herausforderungen sind allerdings vielfältig, wie ich schon angerissen habe. Das ist auch der Bankenaufsicht durchaus bekannt. Es gab eine Durchsuchung bei der DWS, also der Fondstochter der Deutschen Bank und einem der größten Anbieter von Fonds in Deutschland. Wohl wegen des Verdachts, dass die Fonds, die als nachhaltig angeboten wurden, es möglicherweise viel weniger oder vielleicht sogar gar nicht gewesen sind. Die Durchsuchung fand ja nicht nur von der Bundesaufsicht statt, sondern unter Beteiligung der Polizei, BKA und weiterer Behörden und am selben Abend trat der Chef der DWS noch zurück. Da stellt sich schnell die Frage, wem ich überhaupt noch vertrauen würde, wenn selbst einer der größten Player in Deutschland zumindest Ziel der Ermittlungen wird - ohne dass bisher in irgendeiner Form die Schuld bewiesen wäre, aber der Verdacht wiegt ja durchaus schon schwer. Ähnlich wie ich das gerade eben schon gesagt habe: fragen, fragen, fragen.
Wie kann ich erkennen, welcher Fonds nachhaltig in mein Portfolio passt?
Also wenn sie Anlegerin sind, fragen sie ihren Finanzberater, ihre Finanzberaterin, Fragen sie nach, was auch ihr Berater für das Thema Nachhaltigkeit tut: Wie er die Fonds auswählt, wo die Vor- und Nachteile sieht, und Sie werden wahrscheinlich relativ schnell merken, ohne dass Sie selbst Expertin in dem Thema sind, ob Ihr Anlageberater / Ihre Anlageberaterin wirklich fundierte Kenntnis hat und sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat oder nicht.
Vielleicht noch ein weiterer wichtiger Punkt, nachdem wir häufiger gefragt werden, ob denn nicht ESG-konforme ETFs das Beste sind: ETFs, also Exchange Traded Funds, zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie meist wenig Kosten verursachen. Einige sind auch ESG-konform, also schreiben sie das mindestens mal mit drauf. Da sind wir bei dem, was ich eben schon gesagt habe: Schauen Sie, was drauf steht, was im Zweifel darunter verstanden wird und was drin ist. Es kann sein, dass dieser ETF entweder tatsächlich Greenwashing betreibt oder auf der Liste der Staatsanwaltschaft steht oder aber vielleicht tatsächlich ein echter grüner Fonds ist. Wobei wir bei den meisten ETFs sagen, dass das „hellgrüne“ Fonds sind. Die, die es ordentlich machen, machen es wirklich schon gut. Allerdings sind viele Fragen, gerade bei der Einsortierung, sehr im Detail.
Welche Kriterien müssen für den ESG-Bereich erfüllt werden?
Elon Musk von Tesla hat sich aufgeregt, dass er aus dem ESG-Bereich in den USA rausgefallen ist, weil er sagt, nachhaltiger als wir kann es doch gar nicht sein. ESG hat drei Faktoren, wie ich eben sagte: das Thema Umwelt, auch was Technologie und Ähnliches angeht, da ist er sicherlich mit Tesla sehr weit vorne. Im Bereich Social, also wie geht er mit dem Umfeld um, kann man ein Fragezeichen setzen. Das Thema Governance, also Unternehmensführung, das war der Punkt, der zumindest in den USA dafür gesorgt hat, dass er aus dem ESG-Bereich des entsprechenden Index herausgefallen ist.
Zurück zu den ETFs: Schauen Sie auch da wieder genau rein, was damit gemeint ist, dann erwischen Sie zumindest einen der grünen oder hellgrünen ETFs. Und wenn Ihnen das Thema besonders wichtig ist, dann, zumindest Stand heute, im Juni 2022, dann setzen Sie eher auf aktive Investmentfonds, die sich das wirklich sehr detailliert auf die Fahnen geschrieben haben. Denn da gibt es noch nicht viele, aber doch etliche „dunkelgrüne“ Fonds, die das Thema sehr ernst nehmen, die dann auch mit der entsprechenden Man- oder Womenpower das Ganze tagtäglich auf dem Radarschirm haben und entsprechend abwägen. Diese Fonds, also aktive Fonds, sind dann meistens etwas teurer und dann muss man überlegen, was einem wichtiger ist: Reicht mir ein hellgrüner Fonds, der günstig ist? Oder möchte ich wirklich sehr sinnstiftend mit dem Geld umgehen und nehme dann einen teureren, dunkelgrünen Fonds? Aber auch da bitte wieder nachfragen. Nur weil grün draufsteht, muss nicht grün drin sein. Schlimmer ist es, Sie haben einen teuren Fonds, der
nur grün angestrichen ist. Dann haben Sie gar nichts gewonnen.
Für Anleger, die noch einen Schritt weiter gehen wollen, möchte ich einmal das Schlagwort Impact Investment in den Raum stellen. Da schaffen Sie tatsächlich einen echten Mehrwert. Das geht meist eher außerhalb der Investmentfonds, zumindest außerhalb der offenen Investmentfonds. Da gibt es jedoch auch alternative Investmentfonds und andere Möglichkeiten, wenn man da noch tiefer einsteigen möchte.
Lohnt es sich, in das Thema Energiewandel zu investieren?
Vielleicht ein letzter Rat für heute: Wenn man sich das Thema Energiewende gerade in Deutschland anschaut und sagt ja, davon möchte ich profitieren, da möchte ich investieren - auch da meine herzliche Bitte: Investieren Sie nicht zu thematisch. Also in einen Fonds, der beispielsweise nur auf das Thema Wasserstoff oder nur auf regenerative Energien setzt. Ja, das kann sich lohnen, aber wir empfehlen immer, breit gestreut zu investieren. Deshalb muss man die Aspekte nicht außen vor lassen, aber je spezialisierter Sie investieren, in einer bestimmten Region oder in einer bestimmten Branche, desto mehr Klumpenrisiken könnten Sie drin haben. Das heißt, Sie haben deutlich höhere Risiken. Da ist immer die Frage, ob das Sinn macht. Für die meisten Anleger nicht.
Nachhaltiges Investieren - ein Thema mit Zukunft
Also ein sehr komplexes Thema, aber eines, das wichtig ist und das Zukunft hat. Dies gilt für Berater - wer sich noch nicht damit beschäftigt hat, liebe Kolleginnen und Kollegen, tut dies spätestens jetzt, wenn Ihr das von mir hört. Und liebe Kundinnen und Kunden, liebe Interessenten, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, beschäftigen Sie sich gerne mit dem Thema und fragen Sie viel nach. Ein Berater, der es gut mit Ihnen und Ihrem Geld meint, der wird diese Fragen beantworten. Und sei es, dass er sagt, dass er sich erst noch weiter informieren muss. Das muss nicht immer schlimm sein, weil es tatsächlich ein sehr komplexes Thema ist. Wichtig ist aber, dass man auf allen Seiten tatsächlich viele Fragen stellt, um am Ende des Tages, dass Geld so „arbeiten schicken“ kann, wie man sich das selbst gerne wünscht.
Wenn wir nun Ihr Interesse geweckt haben, sich näher mit dem Thema nachhaltige Geldanlage zu befassen, dann finden Sie Christian Schneider vor Ort in Ratingen und bundesweit per Video.